4. Eisenbahnpaket: Verkehrsministerrat im Griff der Staatsbahnen

Der EU-Verkehrsministerrat hat am 8.10.2105 einen Kompromiss für die Herstellung des gemeinsamen Eisenbahnbinnenmarktes verabschiedet, der den Anforderungen eines fairen Wettbewerbs und eines diskriminierungsfreien Zugangs zum europäischen Eisenbahnmarkt in keiner Weise genügt. Bereits das EU-Parlament hatte den ausgewogenen Kompromissvorstellungen seines Verkehrsausschusses auf Intervention der Staatsbahnen rüde eine Absage erteilt.

„Wer den Beschluss der Minister liest, kann nur zu dem Ergebnis kommen, dass die Staatsbahnen den Ministern die Feder geführt haben“, sagte Hans Leister, Präsident von mofair, des Verbandes der Wettbewerbsbahnen im Personenverkehr in Deutschland. „Von einem gemeinsamen Eisenbahnbinnenmarkt mit fairem Wettbewerb zwischen Staatsbahnen und Newcomern kann keine Rede sein. Damit verzichten die Minister auf Verbesserungen des Eisenbahnverkehrs im Sinne der Umwelt und der Fahrgäste, “ betonte mofair-Vizepräsident Wolfgang Meyer.

Welche Erfolge der Wettbewerb zeigt, lässt sich trotz aller noch vorhandenen Mängel in Deutschland erkennen. Obwohl die staatliche Unterstützung seit 1996 um nur 13 % gestiegen ist, konnte die Fahrleistung im SPNV um 38 % ausgeweitet werden. Insgesamt dürfte die Wettbewerbsdividende bei rd. einer Milliarde EURO liegen. Sie wurde dabei nicht durch Sozialdumping sondern durch Fahrgastzuwächse, Abbau nicht benötigter Strukturen und bessere Betriebskonzepte der Wettbewerbsbahnen und in Folge auch der Deutschen Bahn erwirtschaftet.

Auf Druck der Staatsbahnen haben die Minister die Unabhängigkeit der Betreiber der Infrastruktur weiter eingeschränkt. Die Infrastrukturbetreiber sind nur noch zuständig für Trassenpreise und Netzzugang. Erhalt und Entwicklung der Infrastruktur sind Sache der Holding, die in eigenem Interesse zugunsten ihrer Transportunternehmen über Baumaßnahmen befindet.

Auch die Unabhängigkeit des Führungspersonals der Infrastrukturbetreiber ist nicht gewährleistet. Der Vorstand der Holding darf weiterhin Aufsichtsrat des Infrastrukturbetreibers sein. Es gibt keine Karenzzeit für den Personalwechsel vom Infrastrukturbetreiber zum Transportunternehmen, anders als beim Wechsel von Politikern in die Wirtschaft. Auch der Bonus der Führungskräfte des Infrastrukturbetreibers richtet sich nun mit ausdrücklicher Erlaubnis nach dem Gesamtergebnis der Holding statt nach dem Ergebnis des Infrastrukturbetreibers. Die Zulässigkeit war bisher zumindest umstritten.

„Wer angesichts dieser Abhängigkeiten von den Führungskräften des Netzes in einem integrierten Konzern eine Infrastrukturpolitik erwartet, die den Interessen des Netzes und den Zielen von mehr Verkehr auf die Schiene dient, verkennt die Realitäten“, sagte der mofair-Präsident Hans Leister.

Auch die Offenlegung der Finanzbeziehungen zwischen dem Infrastrukturbetreiber, den Transportunternehmen und der Holding wird wieder eingeschränkt. So müssen die wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen des Infrastrukturbetreibers zu anderen Einheiten der Holding nicht erfasst und offen gelegt werden. Damit geht der Verkehrsministerrat hinter das geltende EU-Recht zurück. Selbst finanzielle Beteiligungen des Managements der Transportunternehmen an dem Infrastrukturbetreiber sind wieder möglich. Auch private Beteiligungen am Infrastrukturbetreiber sollen von den Vorschriften über die Offenlegung der Finanzbeziehungen ausgenommen werden. Nicht zuletzt dürfen Dividenden auch wieder an die Holding gezahlt werden und nicht ausschließlich an der Eigentümer Staat.

Verkehrsministerrat, EU-Parlament und Kommission müssen jetzt in dem sogenannten Trilog eine gemeinsame Position finden. Die Rückschritte, die das EU-Parlament gegenüber dem tragfähigen Kompromiss seines Verkehrsausschusses gemacht hat, waren bereits nicht akzeptabel. Noch weniger sind es die Vorstellungen des Ministerrates.

„Die Wettbewerbsbahnen erwarten, dass sich die Kommission unverändert für den Kompromiss des Verkehrsausschusses einsetzt. Das gleiche erwarten wir vom Parlament. Sollten die Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers in personeller und finanzieller und inhaltlicher Hinsicht nicht erreichbar sein, sollte das Gesetzgebungsverfahren abgebrochen werden, um zu vermeiden, hinter die derzeitige Rechtslage zurückzufallen“, sagten die Verbandsvertreter.

Quelle: Pressemitteilung von mofair e.v. vom 26.10.2015

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