Jetzt das Signal auf Grün für Klimaschutz, Wachstum und Wettbewerb stellen

mofair und NEE präsentieren den 7. Wettbewerber-Report Eisenbahnen 2021/22

Berlin (25. Oktober 2021):

Die Wettbewerber der DB im Güter- und Personenverkehr auf der Schiene sind auch seit der Vorstellung ihres letzten Wettbewerber-Reports vor zwei Jahren im Eisenbahnmarkt vorangekommen. Im Güterverkehr erreichte ihr Marktanteil im Jahr 2020 57 Prozent der Schienenverkehrsleistung in Deutschland, Tendenz weiter steigend. Im Schienenpersonennahverkehr stieg der Marktanteil der Wettbewerber auf knapp 41 Prozent des Angebots. Die Wettbewerber fordern, jetzt der Schiene Priorität zu geben.

Beim Rückblick auf die gesamte letzte Legislaturperiode stellen NEE und mofair fest, dass es eine hohe verbale Aufgeschlossenheit und auch zusätzliche Mittel für die Schiene gab. „Die große Koalition hat allerdings die grundsätzlichen Wettbewerbsprobleme im Verkehr überhaupt nicht angetastet und ist dementsprechend an ihren verkehrspolitischen Zielen gescheitert“, sagte NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling bei der Vorstellung des Reports in Berlin.

Die nicht zum DB-Konzern gehörenden Eisenbahnen setzen nun große Hoffnung in den angekündigten Aufbruch unter einer Ampelkoalition und erwarten eine konsistente Politik, die der Schiene Priorität einräumt und sich dabei nicht auf die bundeseigene DB verlässt. Kerkeling: „Die Wettbewerbsfähigkeit vor allem zwischen Schiene und Straße muss übergreifend ins Visier genommen werden – nur so kann künftig eine kluge Strategie zur Verkehrswende eingeleitet werden.“ mofair-Präsident Dr. Tobias Heinemann ergänzt: „Die Reform der Deutschen Bahn AG ist keineswegs der einzige, aber ein unerlässlicher Baustein für eine erfolgreiche klimafreundliche Verkehrspolitik mit deutlich mehr Schiene.“

Ludolf Kerkeling sagte: „Die Ampel-Parteien müssen aus den Versäumnissen der letzten Jahre lernen.“ Tobias Heinemann betonte: „Der Bund hat zwar durch zusätzliche Regionalisierungsmittel, den Corona-Rettungsschirm, die Trassenpreisförderung und einige Förderprogramme deutlich mehr Mittel für die Schiene zur Verfügung gestellt. Zugleich hat er aber mit verschiedenen Förderprogrammen für neue Lkw oder die E-Kaufprämie und den ungebremsten Infrastrukturausbau der Straße die Anreize zur Nutzung der Schiene parallel abgeschwächt.“

Für die Bahnunternehmen sind der jahrelange Stillstand beim Schienenneubau und die anhaltend schlechte Performance samt hoher Kosten der DB-Infrastrukturbetreiber zur Wachstumsbremse Nr. 1 geworden. Trotz deutlich mehr Haushaltsmitteln für die bestehende Infrastruktur ist die Überalterung des Netzes nicht gebremst worden. Neu- und Ausbau sind weiterhin unterfinanziert. Die Elektrifizierung des Netzes ist statt um zehn nur um eineinhalb Prozentpunkte vorangekommen, in den vergangenen drei Jahren wurden nicht einmal zehn Kilometer Schienenstrecke neu gebaut, und die Zahl der ausgewiesenen „überlasteten Schienenwege“ ist auf über zwanzig gestiegen. Der Deutschlandtakt ist bisher nur Kommunikation und Marke für den DB-Fernverkehr, hat aber noch nicht den zusätzlichen Schienenausbau ausgelöst, der Reise- und Transportzeiten verkürzt und mehr Verkehr auf die Schiene holt.

Die Verbände fordern von der neuen Bundesregierung, beim Schienenausbau endlich an den tatsächlichen Stellschrauben, nämlich den Prozessabläufen, eine Beschleunigung herbeizuführen und angemessene finanzielle und personelle Ressourcen bereitzustellen, beispielsweise durch Verschiebung aus dem Straßenneubau.

Im Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) hat die Coronapandemie das Marktanteilwachstum der Wettbewerbsbahnen zwischenzeitlich abrupt abgebremst. Zu lange hielt die Bundesregierung an einer einseitigen Stützung der DB Fernverkehr über eine Eigenkapitalerhöhung fest, statt alle betroffenen Unternehmen durch eine Branchenlösung zu unterstützen. Im Ergebnis erhielten wegen des absehbaren Eispruchs der EU-Wettbewerbshüter über ein Dreivierteljahr weder die DB noch die Wettbewerber Unterstützung, ehe die Bundesregierung den Kurs endlich korrigierte und die Trassenpreise befristet absenkte. Die Wettbewerber müssen sich nun erneut von einem Prozent Marktanteil hocharbeiten, 2019 waren es schon einmal knapp vier Prozent gewesen. Die Verstetigung niedriger Trassenpreise auf Grenzkostenniveau würde hier sehr helfen. Um den politisch gewollten Nachtzugverkehr anzureizen, wären auch Preise unter Grenzkosten sinnvoll.

Im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) ist der Marktanteil der Wettbewerber zwar auf inzwischen knapp 41 Prozent des Leistungsangebots mit noch weiter steigender Tendenz angewachsen und profitieren die Fahrgäste von einem insgesamt gestiegenen und moderneren Angebot. Allerdings muss nachgesteuert werden angesichts des deutlich gestiegenen Personalbedarfs, der Folgen aus gestiegenem Baugeschehen und schlechtem Baustellenmanagements, die allesamt so für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen – inklusive die DB-Töchter – nicht absehbar waren. Verträge müssen während der Laufzeit flexibler werden.

Dazu mofair-Präsident Tobias Heinemann: „Dass sich der Infrastrukturbetreiber DB Netz noch immer weigert, die Haftung für Folgeschäden seiner Schlechtleistungen zu übernehmen, und Aufgabenträger noch immer von uns Vertragsstrafen für Unpünktlichkeit, auf die wir keinen Einfluss haben, verlangen, muss dringend geändert werden. Andernfalls droht die Rückkehr zum DB-Monopol im Nahverkehr – mit Monopolpreisen.“

Im Güterverkehr gefährde die Strategie der DB, ihren Schienengüterverkehr mit Preisen unter Kosten zu betreiben, zunehmend den fairen Wettbewerb. NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling: „Nun muss die EU-Kommission aktiv werden, weil sich der Bund als Eigentümer offensichtlich entschieden hat, die Augen zu schließen und die Subventionsschleuse zu öffnen. Die Leidtragenden sind die Wettbewerber und ihre Mitarbeiter:innen, die nicht Jahr für Jahr auf direkten oder indirekten Defizitausgleich eines unbegrenzt zahlungsfähigen Eigentümers rechnen können. Es ist an der Zeit, in den Koalitionsverhandlungen darüber zu sprechen, wie ein gemeinsames Level Playing Field für gerechten Wettbewerb geschaffen werden kann.“

Innovationen sind der Schlüssel zu einem digitalisierten Eisenbahnverkehr, der den Produktivitätsanforderungen der Verkehrswende gewachsen ist. Daher ist nicht nur eine schnelle Ausstattung von Strecken und Stellwerken, sondern zuallererst die Förderung der ETCS-Empfangsgeräte in den Schienenfahrzeugen dringend notwendig. Das Datenmanagement muss reguliert werden.

Die Überarbeitung der Steuer- und Abgabesysteme anhand ihrer Klimafreundlichkeit, der Subventionsabbau, das Prinzip „Verkehr finanziert Verkehr“ anstelle der bisherigen geschlossenen Finanzierungskreisläufe und ein überjähriger Schieneninfrastrukturfonds sind für mofair und NEE die wichtigsten Instrumente zur Finanzierung der neuen Verkehrspolitik. Nicht zuletzt muss die fatale Verbindung und gemeinsame Steuerung von marktorientierten Verkehrs- und gemeinwohlorientierten Infrastrukturunternehmen im DB-Konzern durch eine neue Bahnreform beendet werden. Die immer noch anhängigen EU-Verfahren für zwei Eigenkapitalerhöhungen bei der DB müssten zu einem diskriminierungsfreien Ende geführt und die Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge im DB-Konzern gekündigt werden.

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Dr. Matthias Stoffregen

Geschäftsführer mofair e. V.

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