Mofair-Vorstand Schreyer fordert bei den Landesregierungen von Berlin und Brandenburg ein Umdenken in ihrem eigenen finanziellen Interesse
„Nach den Schwierigkeiten mit der bisherigen Vergabe der Berliner S-Bahn sollten neue Verfahren für die Zeit ab 2023 wettbewerbsgerecht ausgestaltet werden. Sonst drohen erneut Schwierigkeiten, weil die Anforderungen mit Gebrauchtfahrzeugen nur von einem Unternehmen realisiert werden können. Wettbewerb auf der Schiene sieht anders aus“, erklärte Christian Schreyer, Vorstand von Mofair e.V., dem Bündnis für fairen Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr.
Nach Auffassung von Schreyer sei bereits die Vergabe des Teilnetzes Ring so angelegt gewesen, dass potenzielle Wettbewerber durch die Art der Ausschreibung abgeschreckt werden. Dieses wettbewerbsfeindliche Vorgehen sei zwanzig Jahre nach der Bahnreform vor allem für die Kunden nicht hinnehmbar. „In vielen Bundesländern hat der Wettbewerb dazu geführt, dass die Fahrgäste in modernen, komfortablen, sauberen Zügen fahren und sich die finanziellen Konditionen für die Aufgabenträger stark verbessern“, so Schreyer. Der Mofair-Vorstand verwies auf die Stuttgarter Netze, wo sich durch mehrere Bieter der Preis pro Zugkilometer halbiert habe.
Es sei für andere Unternehmen als die S-Bahn Berlin unmöglich, Fahrzeuge für kurzfristige, gestaffelte Verkehrsleistungen auf verschiedenen Linien zu beschaffen. Wieder könne nur die S-Bahn Berlin GmbH den Zuschlag bekommen. „Hier ist die Politik gefordert, die tief eingefahrenen Pfade zu verlassen und bewährte Wege zu beschreiten, wie sie in anderen Bundesländern längst an der Tagesordnung sind“, sagte Christian Schreyer.
Inhaltlich bemängelt Mofair an der Vorabankündigung für die Ausschreibung der zwei Teilnetze Nord-/Süd (Linien S1, S2, S25, S85) sowie Stadtbahn (S9, S75, S7, S5 und S3) konkret zwei Dinge:
- Zum einen werden Gebrauchtfahrzeuge zugelassen. Diese hat aber aufgrund der technischen Besonderheiten des Berliner S-Bahn-Systems nur der bisherige Betreiber S-Bahn Berlin GmbH. Die Beschaffung von Neufahrzeugen ist zum einen zeitlich kritisch, vor allem aber finanziell gegenüber Gebrauchtfahrzeugen nicht konkurrenzfähig.
- Zum anderen werden keinerlei Finanzierungshilfen (z.B. eine Restwertgarantie – nach Ablauf des Vertrags kann der Betreiber, falls er nicht wieder zum Zuge kommt, die beschafften Fahrzeuge zum Zeitwert verkaufen) angeboten. So kann keine annähernde „Chancengleichheit“ zwischen verschiedenen Bietern erreicht werden. Andere Bundesländer, wie etwa Baden-Württemberg, haben damit in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen gemacht.
Weiter verschärft werden diese Kritikpunkte dadurch, dass jeweils nur kurze Vertragslaufzeiten angekündigt werden (gestaffelter Betriebsbeginn 2023-2027, gestaffeltes Auslaufen des Betriebs 2028-2033). Zudem wird vorgesehen, dass von diesem gestaffelten Verfahren auch abgesehen werden könne, „wenn sich am wettbewerblichen Verfahren um die Vergabe der Verkehrsleistungen nur das Unternehmen beteiligt, das die Verkehrsleistungen auf den genannten Linien bis dahin erfüllt,“ so der Wortlaut im Ankündigungstext. „Mit dieser Formulierung wird nur schlecht verbrämt, dass Mitbewerber der S-Bahn Berlin GmbH erneut draußen gehalten werden sollen“, kritisiert Tobias Richter, ebenfalls Mofair-Vorstand.
Hintergrundinformationen: Das Vergabeverfahren für das erste Teilnetz „Ring“ (Verkehrsleistungen auf den Linien 41 und 42 sowie einigen Zulaufstrecken) hatte sich bereits länger hingezogen als geplant und musste wegen rechtlicher Bedenken einmal komplett neu aufgerollt werden. Im Herbst 2015 war schließlich der Zuschlag an die S-Bahn Berlin GmbH, Deutsche-Bahn-Tochter und bisheriger Betreiber, vergeben worden – zu einem Preis, der deutlich über dem lag, was die bestellenden Länder veranschlagt hatten. Zuvor hatten sich alle anderen interessierten Bieter wie etwa National Express, MTR aus Hongkong oder JR East aus Japan zurückgezogen, weil das Verfahren überkomplex angelegt war.