Bauen im Netz muss sein – gute Baustellenkommunikation ist umso wichtiger

Bauchaos bei DB Netz darf kein schlechtes Omen für die Generalsanierung werden

 Berlin (14. April 2023)

Für die Fahrgäste ein Graus, für die Eisenbahnverkehrsunternehmen massiver Mehraufwand; schlechte Presse für die Schiene als Verkehrsmittel insgesamt: Das Chaos auf der Regionalexpresslinie RE 1 in Berlin und Brandenburg zeigt exemplarisch, dass sich die Baustellenplanung der DB Netz deutlich verbessern muss.

mofair-Präsident Tobias Heinemann: „Dass gebaut werden muss, steht außer Zweifel. Aber bitte nicht so. Gerade jetzt, wo Politik und Deutsche Bahn die ‚Generalsanierung‘ der am stärksten belasteten Strecken vorantreiben will, darf nicht der Eindruck entstehen, dass sie eigentlich schon mit der Koordinierung von Baustellen mittlerer Größe überfordert ist. Die Vorfälle müssen ausgewertet und die Fehler abgestellt werden, ehe mit der Generalsanierung begonnen werden kann.“

EVU müssen Ersatzverkehr organisieren – brauchen dafür aber alle Informationen

Wenn die DB Netz als Eigentümerin von 90 % des bundesdeutschen Schienennetzes Baustellen plant, die zu einer Streckensperrung führen, ist es Aufgabe der Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), den Schienenersatzverkehr (SEV) zu organisieren und die Fahrgäste darüber zu informieren. Das setzt allerdings voraus, dass die EVU ihrerseits rechtzeitig, korrekt und vollständig über die geplanten Maßnahmen informiert werden.

DB Netz weitet Arbeiten einseitig aus

Das war bei den aktuellen Arbeiten zwischen Berlin Ostbahnhof und Frankfurt (Oder) offensichtlich nicht der Fall. Dass es Baumaßnahmen geben würde, war zwar seit längerem bekannt. Die Ankündigungen der Vollsperrung bezogen sich jedoch nur auf den Abschnitt zwischen Erkner und Fürstenwalde. Für diese hatte die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft (ODEG) als Betreiber auch ein SEV-Konzept entwickelt und abgestimmt.

Kurzfristig erweiterte die DB die Bauarbeiten dann um eine Vollsperrung auch auf dem Folgeabschnitt zwischen Fürstenwalde (Spree) und Frankfurt (Oder), also auf volle 57 km Streckenlänge. Die Mitteilung darüber erhielt die ODEG gerade einmal 10 Stunden, bevor dieser Bauzustand greifen sollte. In solch kurzer Zeit kann nicht nur kein optimaler SEV organisiert werden. Vor allem ist keine befriedigende Information der Fahrgäste mehr möglich. Das EVU war zur „Echtzeit-Fahrgastinformation“ gezwungen, sprich: Mitarbeitende auf dem Bahnsteig mussten die verunsicherten Fahrgäste informieren. Eine Aufnahme in die elektronischen Informationssysteme ist dann nicht mehr möglich, da diese nur zweimal pro Woche Updates erhalten.

Laufendes Verfahren bei der Bundesnetzagentur

Die zum Teil chaotischen Zustände in Berlin und Brandenburg sind aber leider keine absolute Ausnahme: Die Baustellenplanung und Baustellenkommunikation der DB Netz ist in den vergangenen Jahren deutlich schlechter geworden. In ihren eigenen Nutzungsbedingen (NBN) sind klare Fristen vorgegeben, wie lange die EVU vor einer Baumaßnahme informiert werden müssen. Diese Fristen hält die DB Netz jedoch in einer Vielzahl der Fälle nicht ein. In manchen Regionen erreicht nur etwa jede zweite Ankündigung die Verkehrsunternehmen rechtzeitig. Und oftmals ist darüber hinaus die Qualität mangelhaft, werden z. B. offensichtlich fehlerhafte Angaben gemacht, Alternativen nicht geprüft usw.[1]

Erkenntnisse für die „Generalsanierung“

Das im konkreten Fall offensichtliche Bestreben, mehr Gewerke zu bündeln, ist an sich zu begrüßen. Bündelung war auch schon Thema des „Runden Tisches Baustellenmanagement“ (2016—18). Aber sie darf nicht übers Knie gebrochen werden. Die Sanierung von Oberbau und Weichen sowie von Bahnübergängen zwischen Fürstenwalde und Frankfurt (Oder) fiel im konkreten Fall jedoch buchstäblich vom Himmel. Die ab 2024 (Riedbahn in Hessen) geplante „Generalsanierung“ sieht diesen Vorlauf vor.

Ausreichende Zeit ist auch für die Planung des Schienenersatzverkehrs nötig. Dann wäre der Fall, dass Linienbusse, die auf der Autobahn mit LKW im Stau stehen, nicht aufgetreten. Für eine Strecke von 57 km würde man auch Busse mit Toiletten vorsehen.

[1] Zu diesem Thema ist ein Beschwerdeverfahren bei der Bundesnetzagentur anhängig, Az. BK10-22-0422_Z. Eine Entscheidung steht noch aus. Anlass waren hier Vorkommnisse im DB-Netz-Regionalbereich West (Nordrhein-Westfalen).

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