Mahnende Worte vom VRR-Vorstandsvorsitzenden Oliver Wittke zur Straffung von Strukturen im öffentlichen Verkehr
Berlin (29. Oktober 2025):
Bei ihrer Mitgliederversammlung in Lünen mit turnusmäßiger Neuwahl wählten die mofair-Mitglieder Tom Buchhold (Flixtrain, Vizepräsident), Stefanie Petersen (Arverio, Schatzmeisterin), Dr. Michael Hetzer (National Express, Beisitzer) und Michael von Mallinckrodt (BeNEX, Beisitzer) neu ins Verbandspräsidium.
In ihren Ämtern bestätigt wurden Präsident Martin Becker-Rethmann (Transdev) sowie Vizepräsident Alexander Sterr (Netinera) und als Beisitzer Dr. Alexander Hedderich (RDC Deutschland). Das neue Präsidium kooptierte im Anschluss den früheren Präsidenten Hans Leister, Tobias Richter (TRI) und Rolf Schafferath.
Als Gast mahnte VRR-Vorstandsvorsitzender Oliver Wittke, dass der öffentliche Verkehr gerade angesichts seines weiter steigenden Finanzbedarfs Strukturen verschlanken müsse: „27 Aufgabenträger im SPNV, dreistellige Zahlen von Tarifprodukten sogar in nur mittelgroßen Verkehrsverbünden, Kleinstserien bei den Fahrzeugen – hier liegen noch erhebliche Effizienzpotenziale, die wir heben müssen.“ Um das Deutschlandticket dauerhaft erhalten und das ÖV-Angebot mittelfristig weiter ausbauen zu können, appellierte er an die Tarifparteien, die Ausstattung der Mitarbeitenden mit Deutschlandtickets als Jobticket über Tarifverträge allgemein verbindlich zu machen.
Bei ihrer Tagung bei der Rethmann-Gruppe, dem Mehrheitsgesellschafter des größten Mitgliedsunternehmens Transdev GmbH, haben die bei mofair organisierten Wettbewerbsbahnen und die Fördermitglieder ausführlich die aktuelle bahnpolitische Entwicklung debattiert und Schwerpunkte für die nächsten beiden Arbeitsjahre festgelegt:
Neujustierung des Wettbewerbs im SPNV / Governance des Deutschlandtickets
Gerade in der Debatte mit Oliver Wittke, Mitglied im Präsidium des Bundesverbandes Schienennahverkehr (BSN), wurde erneut deutlich, dass das an sich sehr erfolgreiche Wettbewerbsmodell „um den Markt“ im SPNV neu justiert werden muss. Hier gab es zuletzt zwischen den Eisenbahnverkehrsunternehmen, davon die Mehrheit bei mofair organisiert, auf der einen und den SPNV-Aufgabenträgern im BSN auf der anderen Seite, intensive und konstruktive Gespräche. Ein echter Durchbruch, der beispielweise eine sachgerechtere Verteilung der Risiken bei Personal, Energie und Material sowie aus der Infrastruktur beinhaltet, steht jedoch noch aus.
Beim Deutschlandticket scheint es nach dem VMK-Beschluss über die Verstetigung der Bundes- und Landesmittel bis 2030 mehr Planungssicherheit zu geben. Einnahmensicherung und -aufteilung bleiben aber ganz oben auf der Agenda. So schnell wie möglich muss eine nachfrageorientierte Einnahmenaufteilung erreichen werden, damit die Unternehmen, die mehr Fahrgäste und damit verbunden auch mehr Aufwendungen haben, einen entsprechend höheren Anteil an den Ticketeinnahmen und Ausgleichsbeträgen erhalten.
Mehr Wettbewerb im SPFV / Liberalisierung des Fahrausweisvertriebs
Abstrakt erkennt die Bundesregierung an, dass mehr Wettbewerb im Schienenpersonenfernverkehr Vorteile für die Fahrgäste bringt: Mehr Angebot und sinkende Ticketpreise, wie Beispiele aus Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Österreich, Schweden oder Tschechien eindrucksvoll belegen. Nur: Getan hat sie dafür nichts. Angesichts der offensichtlichen Schwäche der DB Fernverkehr (-427 Mio. Euro EBIT im vergangenen Jahr) wird ein angepasstes Marktmodell immer dringlicher, das die Vision des Deutschlandtakts wettbewerbsfreundlich ermöglicht.
Die Öffnung der Quasi-Monopol-Plattformen bahn.de und DB Navigator, wie sie in der „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“ des Bundesverkehrsministeriums angedeutet ist, ist ein erster interessanter Schritt, dem weitere folgen müssen.
Verbesserung der Infrastrukturqualität / Senkung der Trassenpreise auf Grenzkosten
Nicht nur für mofair-Unternehmen ist der Zustand der Schieneninfrastruktur und die in den vergangenen Jahren massiv gestiegene Baustellenlast eine echte Herausforderung. Offensichtlich ist, dass der Hype um die vermeintlichen „Generalsanierungen“ keine Besserung gebracht, sondern viele Probleme eher noch verschärft hat.
Gleichzeitig steigen die Trassenpreise, vor allem aufgrund des Irrwegs der Eigenkapitalfinanzierung von Schieneninfrastruktur, auf ein unbekanntes Niveau. Um den Markt zu beruhigen und die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gegenüber Straße und Luftverkehr wiederherzustellen, braucht es eine neue Abwägung zwischen Fahren und Bauen sowie eine deutliche Reduzierung der Trassenpreise, und zwar auf die unmittelbaren Kosten des Zugbetriebs (uKZ).
Transparenz über die Verwendung öffentlicher Mittel / Entflechtung
Zwar sind die öffentlichen Mittel für die Eisenbahninfrastruktur in den vergangenen gut zehn Jahren stetig gestiegen, aber der Output ist nicht entsprechend mitgewachsen. Ganz offensichtlich hat dies nicht nur mit allgemeinen Baukostensteigerungen zu tun. Die Vermutung liegt nahe, dass viel Geld im integrierten Konzern Deutsche Bahn AG „versickert“, d. h. über eine „Schlängelfinanzierung“ aus dem regulierten Monopolbereich in den wettbewerblichen Bereich der Verkehrsunternehmen verschoben oder auf andere Weise zweckentfremdet wird.
Wirkliche Sicherheit würde nur eine echte eigentumsrechtliche Entflechtung mit der Übertragung der Monopolbereiche in eine direkte Bundesgesellschaft (etwa analog der Autobahn GmbH) bringen. Für den Moment aber muss es eine schnelle Beendigung des Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrags (BEAV) zwischen der DB AG und der DB InfraGO AG sowie der DB Energie GmbH als Bahnstromnetzbetreiber geben. Im Aufsichtsrat der DB InfraGO AG muss der Bund selbst mehr Verantwortung und den AR-Vorsitz übernehmen. Vertreter der Zugangsberechtigten müssen in den Aufsichtsrat entsendet werden.