Bundeshaushalt 2021: Mit der Digitalisierung der Eisenbahn ernst machen

Bund muss ETCS-Umrüstung der Fahrzeuge übernehmen

Berlin (25. November 2020):

mofair fordert den Bundestag gemeinsam mit anderen Bahnverbänden auf, die Finanzierung der On-Board-Units (OBUs) für das europäische Leit- und Sicherungssystem ETCS bis zum Jahr 2030 komplett zu finanzieren. Dazu muss der ETCS-Titel im Bundeshaushalt in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags am kommenden Donnerstag um 150 Mio. Euro erhöht werden. „Es kann nicht sein, dass die bundeseigene DB Netz AG über 400 Mio. Euro zusätzlich erhält, um Stellwerke schneller umrüsten zu können, die Umrüstung der Fahrzeuge aber weiter nicht oder nur zu einem kleinen Teil gefördert wird.“ sagt mofair-Präsident Christian Schreyer und erläutert: „Die OBUs sind nichts anderes als in den Zug verlegte Signale. Sie bleiben Infrastruktur, für die der Bund die Finanzierungsverantwortung hat“.

Das europaweite, digitale Leit- und Sicherungssystem ETCS wurde bereits in den Neunzigerjahren entwickelt. Aber erst vor wenigen Jahren haben der Bund und die Deutsche Bahn als das führende Infrastrukturunternehmen seine immensen Potenziale wirklich erkannt: Vereinheitlichung der bisher über hundert verschiedenen Stellwerkstypen, weitere Erhöhung der Sicherheit, europäische Vereinheitlichung – und nicht zuletzt die Chance, Daten zu generieren, durch deren Auswertung das Eisenbahnwesen um ein Vielfaches effizienter werden kann. Vor allem soll die Kapazität der Schiene massiv gesteigert werden. Investitionen in Bits und Bytes können zu einem Teil Investitionen in Stahl und Beton ersetzen.

Zwei Studien im Auftrag des Bundes haben ergeben, dass in der zwei Dekaden dauernden Phase des Übergangs von den heutigen Techniken auf „ETCS-only“ eine Doppelausrüstung der Schienenfahrzeuge volkswirtschaftlich günstiger ist als eine Doppelausrüstung der Infrastruktur. Also müssen in den kommenden Jahren erst die Lokomotiven und Triebzüge mit den notwendigen ETCS-Empfangskomponenten ausgestattet werden.

Bisher stellt sich die Bundespolitik jedoch auf den Standpunkt, dass die Förderung von technischen Komponenten im Fahrzeug als „Fahrzeugförderung“ zu betrachten sei, für die der Bund keine Zuständigkeit habe. Daher hat er bisher nur eine anteilige Förderung für den „Digitalen Knoten Stuttgart“ in Aussicht gestellt. Zusätzliche Mittel in Höhe von 400 Mio. Euro, die im Zuge der Corona-Konjunkturhilfen für eine schnellere Umrüstung der Stellwerke gewährt werden sollen, dürfen laut Haushaltsentwurf 2021 explizit nicht für Fahrzeugausrüstung verwendet werden.

Diese Sichtweise ist grundfalsch: ETCS macht ab der Stufe 2 streckenseitige Signale überflüssig, da die Fahrzeuge dann über die ETCS-Empfangsgeräte in den Fahrzeugen beeinflusst (also z. B. gebremst werden). Die Kosten des Bundes, der laut Grundgesetz für die Eisenbahninfrastruktur zuständig ist, werden also sinken. Die kostengünstigeren, „in die Züge verlegten“ Signale in Gestalt der OBUs aber bleiben Infrastruktur.

Die Finanzierungsverantwortung kann der Bund nicht von sich schieben. Daher fordert mofair gemeinsam mit anderen Verbänden den Bundestag auf, bereits im Haushalt 2021 die Voraussetzungen für eine Vollförderung der OBUs bis zum Jahr 2030, beginnend im Jahr 2021, zu schaffen. Dazu gehören für 2021 eine Erhöhung der ETCS-Mittel um 150 Mio. Euro und Verpflichtungsermächtigungen für die Folgejahre von 400 Mio. Euro jährlich bis 2030.

Würde es bei der bisherigen Haltung des Bundes bleiben, wäre dies eine Verschiebung der Lasten vom Bund auf die Länder: Dass die On-Board-Units beschafft werden müssen, steht außer Zweifel. Eisenbahnverkehrsunternehmen, die im Nahverkehr im Rahmen von Verkehrsverträgen unterwegs sind, werden die zusätzlichen Kosten bei den Aufgabenträgern des SPNV reklamieren und auch erstattet bekommen müssen. Diese Mittel würden dann aber für Leistungsbestellungen im SPNV fehlen.

Die eigenwirtschaftlichen Verkehre (Schienenpersonenfernverkehr und Schienengüterverkehr) müssten die Geräte selbst beschaffen, ihre Produktionskosten würden steigen und damit die Schiene insgesamt gegenüber der Straße an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen.

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