DB-Geschäftsbericht: „Gute“ Schulden, schlechte Schulden

Beide sind ein dringender Appell an die Politik

Berlin (30. März 2023)

Massiv steigende Schulden, marodes Netz: Trotz tapferer Versuche des DB-Vorstands, der Misere auch unbestritten positive Seiten, wie die Rückkehr der Fahrgäste nach der Pandemie, abzugewinnen, ist der aktuelle Geschäftsbericht der Deutschen Bahn AG ein zweifacher Appel an die Politik zum Umsteuern:

  1. Es braucht neue organisatorische Strukturen für die DB-Infrastruktur („InfraGO“) mit einer vollständigen bilanziellen Trennung vom Rest des Konzerns. Zusammen mit einer auskömmlichen Finanzierung und einer Verpflichtung der InfraGO auf Qualität, Kapazität und Kundenorientierung kann die Trendwende geschafft werden.
  2. Der Deutschlandtakt muss mit einem neuen Trassenzugangs- und Wettbewerbsmodell umgesetzt werden. Die Trassenpreise müssen gesenkt werden. Nur so kann das für eine massive Angebotsausweitung notwendige Drittkapital in den Markt gelockt werden.

mofair-Präsident Tobias Heinemann: „Der Bund kann dem ungebremsten Schuldenanstieg nicht länger tatenlos zusehen. Dass die DB zur Sanierung der Infrastruktur in Vorleistung geht, kann der Gesamtmarkt noch als ‚gute Schulden‘ akzeptieren, denn davon profitieren alle Eisenbahnverkehrsunternehmen, seien sie DB-Töchter oder Wettbewerbsbahnen. Der Bund darf aber auf keinen Fall weitere „schlechte Schulden“ für die Beschaffung von immer mehr ICEs für DB Fernverkehr tolerieren. Hier blockiert das Staatsunternehmen mit Steuerzahlermitteln mehr Wettbewerb zugunsten des Kunden.“

Bei der Präsentation der Bilanz der Deutschen Bahn AG lohnt vor allem ein Blick auf die Entwicklung der Netto-Konzernschulden.[1] Zwar sanken diese von 35,1 (Ende 2021) auf 32,8 Milliarden Euro (Ende 2022), dies allerdings zum großen Teil, weil Eigenkapitalerhöhungen durch den Bund in Milliardenhöhe wirksam wurden. Für das laufende Jahr wird aber ein Anstieg auf 41,5 Milliarden Euro erwartet.[2] Mit anderen Worten: Die Schulden steigen um 26,5 %(!) innerhalb eines Jahres, und das, obwohl es eine weitere Eigenkapitalerhöhung des Bundes um 1,125 Milliarden Euro geben wird.

Man könnte sagen: Nach dem Auslaufen der Verschuldungsobergrenze durch den Haushaltsausschuss des Bundestags (2021: maximal 32 Milliarden Euro; 2022: 35 Milliarden Euro) brechen nun alle Dämme.

„Gute“ Schulden

Doch ganz so einfach ist es nicht: Viele der neuen Schulden entstehen, weil die Infrastruktur dringenden Nachholbedarf hat. Der Finanzierungsbedarf geht weit über das hinaus, was die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III vorsieht, Die „Generalsanierung“ hin zum „Hochleistungsnetz“ bereiten die Infrastrukturgesellschaften der DB seit dem vergangenen Frühjahr vor. Um die Pilotstrecke Riedbahn (Vollsperrung Juli bis Dezember 2024 geplant) sanieren zu können, müssen u. a. die Umleitungsstrecken Main-Neckar-Bahn und Ludwigsbahn bereits jetzt ertüchtigt werden. Und das „geht voll gegen das EBIT“ (DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber).

Die DB setzt damit die Bundespolitik massiv unter Druck, weil diese nicht zusehen kann, wie das größte deutsche Staatsunternehmen immer mehr zum „Sanierungsfall“ (Bundesrechnungshof)[3] wird. Die Schienenbranche hat die DB bei diesem Manöver unterstützt, denn dass die Infrastruktur seit Jahrzehnten chronisch unterfinanziert ist, kann niemand ernsthaft bestreiten. Insofern handelt es sich hierbei um „gute Schulden“, denn der dramatische Appell scheint, wie die Beschlüsse des Koalitionsausschusses zeigen, gewirkt zu haben.

Die Politik darf nur nicht hier stehenbleiben. Weder der (notwendige!) Geldsegen noch die ausführliche Diskussion über das Konzept der Generalsanierung dürfen dazu führen, dass der Auftrag aus dem Koalitionsvertrag, eine „gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft“ zu bilden, aus dem Blick gerät. Dringender denn je braucht es neue organisatorische, auch gesellschaftsrechtliche Strukturen, die eine ausschließliche Qualitäts-, Kapazitäts- und damit: Kundenorientierung der bundeseigenen Schieneninfrastruktur sicherstellen. InfraGO muss bilanziell vollkommen vom Mutterkonzern getrennt werden, um endlich volle Kostentransparenz zu erreichen und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

Schlechte Schulden

Das ist aber nur die eine Seite: Einen erheblichen Teil der Neuverschuldung machen die Investitionen in den ICE-Fuhrpark und daraus folgende Abschreibungen aus. Verantwortlich ist hier neben dem DB-Management auch das Bundesverkehrsministerium, das seit den Neunzigerjahren keine Idee zum Marktmodell im SPFV hat.[4] Für den vergangenen Herbst angekündigte Eckpunkte liegen weiter nicht vor. So machen alle weiter wie bisher: Die Politik fordert mehr Angebot im Fernverkehr, aber ihr fällt nicht mehr ein, als betriebswirtschaftlich halsbrecherische Investitionen eines bereits überschuldeten Unternehmens, der DB Fernverkehr AG, zu tolerieren. Als Nebeneffekt wird der Markt im Schienenpersonenfernverkehr weiter verzerrt. Konkurrenten der DB bekommen diese Rückendeckung in Milliardenhöhe für Investitionen nicht. Hier handelt es sich also um ganz schlechte Schulden.

Viel besser wäre es, wenn die Politik endlich klare Leitlinien für den Wettbewerb im SPFV geben würde. Dazu gehört zweierlei:

  • ein zum Deutschlandtakt passendes Trassenzuweisungsmodell, das sicherstellt, dass im Deutschlandtakt vorgesehene Linien tatsächlich bedient werden[5] sowie
  • die Absenkung der absurd hohen Trassenpreise[6] als wesentliche Markteintrittsbarriere

Damit könnten auch Investoren, die bisher nicht in Deutschland aktiv sind, für langfristige Engagements gewonnen werden – zum Wohl der Fahrgäste und zur Entlastung des Bundeshaushalts.

[1] Inklusive Pensionsverpflichtungen und Hybridanleihen. Diese wurden bei der vom Haushaltsausschuss des Bundestages gesetzten Verschuldungsgrenze ausgeklammert, siehe den integrierten Geschäftsbericht der Deutschen Bahn AG 2022: https://www.deutschebahn.com/resource/blob/10431118/7022b1241d1c0b4322ae6c752157c263/Integrierter-Bericht_Download-data.pdf, S. 105.

[2] Siehe u. a. https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/deutsche-bahn-rechnet-2023-wieder-mit-milliardenverlust-a-9f79c4f9-25c6-457f-baa6-2701ddded32d, Zugriff am 30. März 2023.

[3] https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Berichte/2023/db-dauerkrise-volltext.pdf?__blob=publicationFile&v=5; siehe dazu unsere Presseinformation: https://mofair.de/pressemitteilungen/#presse/pressemitteilungen/vom-bundesrechnungshof-wenig-neues-zur-db-bund-muss-endlich-handeln/

[4] Obwohl Artikel 87e Absatz 4 GG hier einen klaren Gesetzgebungsauftrag formuliert hat, der seit 29 Jahren nicht erfüllt worden ist.

[5] Siehe unsere Position dazu ausführlich: https://mofair.de/wp-content/uploads/2022/03/220302-DTakt-und-Wettbewerb-im-Fernverkehr.pdf.

[6] https://mofair.de/wp-content/uploads/2022/03/220302-Trassenpreissenkung.pdf.

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