Deutschlandticket: Unklares Einnahmenaufteilungsverfahren bedroht SPNV-Unternehmen

Ohne ausreichende Liquidität drohen zeitnah Insolvenzen

 Berlin (14. Dezember 2024):

Der „Koordinierungsrat“ zum Deutschlandticket soll am kommenden Montag den Entwurf eines Einnahmenaufteilungsvertrags trotz zahlreicher umstrittener Fragen beschließen. Das Werk sieht neben unzähligen technischen Details vor, dass mit Wirkung zum Jahreswechsel 2024/25 die Verkaufseinnahmen aus dem Deutschlandticket aufgrund der Postleitzahlen (!) der Abonnentinnen und Abonnenten zugeteilt werden. Damit würden die Unternehmen des Schienenpersonennahverkehrs –DB Regio genauso wie die Wettbewerbsbahnen – massiv benachteiligt werden, da sie ihre Leistungen überregional erbringen.

mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann: „Unseren Unternehmen würde auf einen Schlag massiv Liquidität entzogen. Wir sprechen bundesweit über Milliardenbeträge, die anders verteilt würden. Insolvenzen drohen kurzfristig.

Und darüber entscheidet ein formal niemals mandatierter Koordinierungsrat, der im Wesentlichen von Bundesländern und Verkehrsverbünden bestimmt wird, von denen kaum einer selbst ein finanzielles Risiko verantworten muss.

Bei der Einnahmenaufteilung muss Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen, um ein totales Chaos zu verhindern. Verschwinden Unternehmen vom Markt, haben auch die Fahrgäste nichts vom Deutschlandticket.“

13 Millionen Menschen nutzen das bundesweit im Nahverkehr gültige Deutschlandticket. Die pauschale Geltung und der günstige Preis haben die Eintrittshürden zum öffentlichen Verkehr deutlich gesenkt. Und noch viel mehr wäre möglich, wenn sich Bund und Länder auf eine stabile Finanzierung für die Jahre 2025 und ab 2026 einigen könnten.

Ein deutschlandweit gültiges Ticket benötigt jedoch auch eine entsprechende Einnahmenaufteilung. Fahrgeldeinnahmen und Kosten der Verkehrsunternehmen müssen auf Grundlage der erbrachten Beförderungsleistung ausgeglichen werden, nach dem Grundsatz: Wer viel fährt, hat einen entsprechend hohen Anspruch aus den Einnahmen. Gleichzeitig muss ein attraktiver Ticketvertrieb angemessen vergütet werden.

Branchenweit herrscht Einigkeit, dass die Einnahmenaufteilung möglichst zügig unter Nutzung technischer Hilfsmittel wie Smartphone-Apps oder Fahrgastzählsystemen an der tatsächlichen Nachfrage ausgerichtet werden soll. Dafür braucht es allerdings noch Vorarbeiten und auch Investitionen in Technik, die nicht vor 2026 abgeschlossen sein können.

Das Deutschlandticket hat eine bedeutende Verschiebung nicht nur der Verkehrsströme (deutlich mehr Nutzung der Verkehrsmittel in touristischen Regionen und auf längeren SPNV-Strecken, eher wenig Änderung in den Ballungsräumen), sondern auch der Vertriebswege bewirkt: Wegen des – politisch gewollten – Trends zur Digitalisierung hat es eine Verlagerung der Fahrgeldeinnahmen auf den SPNV gegeben. Diese ist angesichts der höheren Leistung und damit verbundener höherer Kosten auch teilweise gerechtfertigt. Darüber hinaus hat der SPNV über den Deutschlandtarifverbund (DTV) bereits eine Umverteilung der Einnahmen vorgenommen und so die Unwuchten der Einnahmeverteilung zwischen den Bundesländern deutlich verringert.

Das Deutschlandticket wurde zum Mai 2023 unter großem Zeitdruck in eine Landschaft des öffentlichen Verkehrs eingeführt, in der neben dem Bund 16 Bundesländer, 27 SPNV-Aufgabenträger, je nach Rechnung um die 70 bis 100 Verkehrsverbünde, ungefähr 400 Landkreise und kreisfreie Städte als Aufgabenträger für den übrigen ÖPNV und – nicht zu vergessen – etwa 1.000 Verkehrsunternehmen agieren. Fast ausschließlich die letztgenannten tragen ein unmittelbares wirtschaftliches Risiko.

Eine anerkannte „Governance“ des Deutschlandtickets gibt es aber bis heute nicht. Es gibt ein historisch gewachsenes Gremium, den „Koordinierungsrat“, in dem jedoch unmittelbar betroffene Verkehrsunternehmen kaum repräsentiert und nicht mit Stimmrecht ausgestattet sind. Gleichzeitig sind bei aller intensiven und konzentrierten Arbeit im Koordinierungsrat und seinen vielen Arbeitsgruppen und Unterarbeitsgruppen viele ganz zentrale Fragen weiter vollkommen offen, unter anderem:

  • wie sich die deutschlandweite Gültigkeit mit den Zuständigkeiten der regionalen Verkehrsverbünde verträgt,
  • wie die gegenüber den Fahrgästen konkret erbrachte Beförderungsleistung der Verkehrsunternehmen im Rahmen der Verteilung der Einnahmen berücksichtigt wird,
  • wie die Zahlungsströme zwischen den Verkehrsunternehmen rechtskonform organisiert werden und
  • wie Vertriebsanreize gesetzt werden und wie diese steuerlich zu behandeln sind.

Es ist nicht einmal sicher, wer genau den Einnahmenaufteilungsvertrag unterzeichnen soll (!) und wie die vielen Beteiligten zur Zeichnung des Vertrages verpflichtet werden können. Unter diesen Bedingungen noch kurz vor Weihnachten so zu tun, als sei alles klar, und zum Jahreswechsel gewaltige Summen umzuverteilen, ohne die wirtschaftlichen Folgen bei den Verkehrsunternehmen zu berücksichtigen, ist unverantwortlich und wird der Bedeutung, welche die SPNV-Unternehmen für den öffentlichen Verkehr haben, nicht gerecht.

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Dr. Matthias Stoffregen

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