Effektive Unabhängigkeit der Schienennetzbetreiber ist unverzichtbar

Das EU-Parlament beginnt in diesen Tagen mit der Beratung der Gesetzentwürfe zum vierten Eisenbahnpaket, die die Kommission vorgelegt hat. Von besonderer Bedeutung für einen fairen Wettbewerb auf der Schiene ist die Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers. Am Verhalten der Deutschen Bahn (DB) zeigt sich, dass integrierte Eisenbahnkonzerne nicht nur den fairen Wettbewerb behindern, sondern dem Eisenbahnmarkt insgesamt schaden. Die Preise für den Güter- und Personenverkehr fallen höher aus, als sie sein müssten, und die Eisenbahn kann die ihr von der Politik zugedachte Aufgabe nicht erfüllen, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen.

„Die Kommission hat die Zeichen der Zeit erkannt“, sagte Wolfgang Meyer, Präsident von mofair, des Verbandes der wettbewerblichen Verkehrsunternehmen in Deutschland. „Wir hoffen und erwarten, dass auch das Europäische Parlament, die Interessen aller Markteilnehmer in den Vordergrund stellt und sich nicht von den unhaltbaren Argumenten der Deutschen Bahn ins Bockshorn jagen lässt.“

Es beginnt damit, dass die Behauptung, die Deutsche Bahn habe DB Netz mit zweistelligen Milliardenbeträgen finanziert und dürfe deswegen die Gewinne von DB Netz einbehalten, unzutreffend ist. In den Geschäftsberichten von DB Netz heißt es regelmäßig unter der Überschrift Finanzierung des Investitionsprogramms: „Der Finanzbedarf wurde vollständig aus dem Mittelzufluss aus laufender Geschäftstätigkeit (insbesondere Jahres-Cashflow) gedeckt.“ Tatsache ist somit, dass DB Netz seine Investitionen in die Schiene selbst finanziert hat.

Mit der Gewinnabführung und Kreditzinsen für nicht selbst eingelegte Kredite entzieht die Deutsche Bahn DB Netz Finanzmittel, die dringend für die Infrastruktur gebraucht werden. Die massiven Infrastrukturdefizite werden von der Deutschen Bahn nicht bestritten. Statt auf die Gewinnabführung aus dem Netz zu verzichten, fordert die Deutsche Bahn eine deutliche Erhöhung der Staatszuschüsse. Mit der Gewinnabführung verstößt die DB ohnehin gegen die Eisenbahnrichtlinien, da es sich im Ergebnis um staatliche Mittel handelt, die nicht in die Transportgesellschaften fließen dürfen, weil damit der Wettbewerb verzerrt wird.

Die Deutsche Bahn und ihre Tochtergesellschaften genießen als Staatsunternehmen eine besonders gute Bonität, die zu niedrigeren Zinsen für Kredite und Anleihen führt. Die Zinsdifferenz zu Wettbewerbern erreicht in solchen Fällen ein bis zwei Prozentpunkte. Geringere Zinsbelastungen erhöhen die Gewinne und erlauben besonders günstige Angebotspreise in Ausschreibungen. Das schadet den Wettbewerbern.

Nicht zuletzt finanziert die Deutsche Bahn mit den Gewinnen von DB Netz und damit mit staatlichen Mitteln ihre unternehmerische Expansion. Inzwischen ist sie in mehr als 130 Ländern der Welt tätig. Mit der Übernahme von Unternehmen vermindert sich die Zahl der Mitbewerber auf dem Markt. Das verringert das Angebot und schadet den Kunden im Güter- und Personenverkehr durch höhere Preise.

Der EuGH kommt in dem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland (C-556/10) zu dem Ergebnis, dass es keine Belege dafür gäbe, „dass DB Netz von der DB AG in Bezug auf die Modalitäten der Entscheidungsfindung nicht unabhängig wäre“. Das ist nicht zutreffend: Es gibt ausreichend Belege.

So erhält die DB-Holding Zinsen für fast 8 Mrd. € Schulden und die Gewinne von DB Netz, obwohl die angeblich damit getätigten Investitionen von DB Netz selbst finanziert wurden. Das ist nur möglich, weil DB Netz nicht unabhängig von der DB-Holding ist. Dr. Rüdiger Grube ist Vorstandsvorsitzender der DB-Holding, Aufsichtsratsvorsitzender von DB Netz und entscheidet mit dem Aufsichtsrat über den Vorstand und die Unternehmenspolitik von DB Netz.

Die Infrastrukturtochter DB Energie verlangt von Wettbewerbern der DB-Transporttöchter bis zu 20 % höhere Preise für den Bahnstrom. Die Preisstrategie wird von der Holding bestimmt. Hohe Preise führen zu höheren Gewinnen von DB Energie und sind ausschließlich im Interesse der Holding Deutsche Bahn. In der Preissetzung ist DB Energie nicht unabhängig.

Die DB-Holding sorgt auch dafür, dass DB Netz hohe und regelmäßig steigende Trassenentgelte festsetzt. Sie stellt die mittelfristige Finanzplanung des Konzerns auf, in der DB Netz eine tragende Rolle spielt. DB Netz soll bis 2016 insgesamt rund 4,5 Milliarden Euro zum Gewinn des Staatskonzerns beitragen. Auch das ist ausschließlich im Interesse der DB-Holding.

Hohe Trassenpreise schützen darüber hinaus auch die DB-eigenen Transportunternehmen, weil grundsätzlich weniger Wettbewerber in den Markt eintreten können. Die geringeren Einnahmen aus Trassenentgelten müssen dann durch höhere staatliche Zuschüsse zur Finanzierung des Schienennetzes kompensiert werden. Unabhängigkeit des Netzes sähe anders aus. Im Interesse eines unabhängigen Netzes wäre es nämlich, soviel Verkehr wie möglich auf die Schiene zu bringen.

Die Verfügungsgewalt über DB Netz bietet der DB-Holding die Möglichkeit zur Quersubventionierung zwischen Netz- und Transportgesellschaften. So hat DB Regio, die Tochter der DB, die gemeinwirtschaftliche Regionalverkehre erbringt, bei der Ausschreibung des Elektronetzes Nord, Kosten für DB Netz übernommen. Damit hat DB Regio den Verkehrsvertrag gewonnen. Das ist im Interesse der DB-Holding und für einen integrierten Konzern ergebnisneutral. Die unabhängigen Wettbewerber aber müssen mit höheren Angebotspreisen kalkulieren und scheiden im Wettbewerb aus.

Das politische Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, lässt sich unter den Bedingungen eines integrierten Eisenbahnkonzerns nicht erreichen. Im Gegenteil DB Netz muss sich Gewinnzielen der DB-Holding unterordnen und kann deswegen nicht für einen maximalen Transport auf der Schiene eintreten.

Pressemitteilung von mofair e.V. vom 06.03.2013

Mofair-Positionspapier: Integrierte Eisenbahnkonzerne behindern den Wettbewerb als PDF zum Download (PDF, 31 KB)

Pressemitteilung „Effektive Unabhängigkeit der Schienennetzbetreiber ist unverzichtbar“ als PDF zum Download (PDF, 24 KB)

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