Einigung beim BSWAG – bestenfalls ein Zwischenstand

Folgekosten der Generalsanierungen und ETCS-Koordinierung weiter offen

Berlin (13. Juni 2024):

 

Nach fast einem Jahr der Beratungen hat der Vermittlungsausschuss aus Bund und Ländern gestern eine Einigung zur Novelle des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) erzielt. Demnach darf der Bund nun unter anderem auch Aufwandsförderungen für Infrastruktur tätigen sowie den Erhalt von Bahnhöfen und die Ausrüstung von Schienenfahrzeugen mit Komponenten für die digitale Zugsteuerung ETCS finanziell unterstützen.

mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann: „Wir begrüßen die endlich erzielte Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern, die beide hierfür ganz klar in der Verantwortung stehen. Viele grundlegende Probleme bleiben aber ungelöst: Planungssicherheit für Infrastrukturprojekte über mehrere Jahre gibt es weiter nicht.

Die Folgekosten der geplanten Generalsanierungen werden zwar zwischen Bund und Ländern aufgeteilt, dies aber in einem sehr bürokratischen Verfahren. Dass die von Vollsperrungen und Umleitungen betroffenen Verkehrsunternehmen nicht am Ende im Regen stehen bleiben, ist bestenfalls eine vage Hoffnung. Die so wichtige Übernahme der Remanenzkosten im Falle der Sperrungen fehlt etwa völlig.

Und bei der Digitalisierung der Schiene muss sich der Bund nicht nur finanziell, sondern auch inhaltlich stärker engagieren.“

 

Generalsanierung statt Gemeinwohlorientierung

Die Deutsche Bahn AG (DB) hatte seit dem Frühjahr 2022 die „Generalsanierungen“ von bestimmten, besonders stark frequentierten Strecken – ohne jedoch die Knoten dabei mitzudenken – im Kernnetz mit der im Koalitionsvertrag der Ampelparteien geforderten „Gemeinwohlorientierung“ der Schieneninfrastrukturgesellschaft InFrago gleichgesetzt. Das Bundesverkehrsministerium (BMDV) tat es ihr, mangels eigener Konzepte, gleich. Folglich fehlt es – auch weiterhin – an einem überzeugendem Steuerungskonzept des Bundes für die DB InFrago; im Ergebnis hat sich außer den Namensschildern nichts geändert.

Einhergehend mit dem Konzept der Generalsanierungen war die Forderung nach zusätzlichen Mitteln in Höhe von 45 Milliarden Euro für die Jahre 2024 bis 2027. Dabei ist sich die Branche – egal ob Staatsbahn, Wettbewerbsbahnen oder andere Akteure – absolut einig in der Diagnose, dass die Schieneninfrastruktur über Jahrzehnte hinweg drastisch unterfinanziert gewesen ist. Anders als die DB und das BMDV aber sind die Wettbewerbsbahnen der Auffassung, dass allein mehr Geld in die bisherigen, dysfunktionalen und wettbewerbsverzerrenden Strukturen des integrierten DB-Konzerns die fundamentalen Probleme nicht lösen kann.

Damit stehen sie nicht allein: Die Monopolkommission und der Bundesrechnungshof haben sich wiederholt für eine klarere Separierung zwischen den Monopol-(Infrastruktur-) und den Wettbewerbs-(Transport-)Sparten der Deutschen Bahn ausgesprochen. Auch die Länder forderten im Verlaufe des BSWAG-Verfahrens eine diesbezügliche Änderung des Deutsche-Bahn-Gründungsgesetzes (DBGrG), konnten sich aber damit nicht durchsetzen.

Wichtig zu wissen: Das BSWAG regelt zunächst nur, dass der Bund den Erhalt von Bahnhöfen und Serviceeinrichtungen (Abstellgleisen, Zugbildungseinrichtungen etc.) sowie die Ausstattung auch von Fahrzeugen mit Komponenten der Digitalen Schiene fördern darf.

Ob er es tatsächlich tut und wenn ja, in welcher Höhe konkret, ist weiterhin Sache der jährlichen Haushaltsberatungen. Hier stehen wir noch immer da wie zu Beginn der Legislaturperiode. Österreich sagt die Finanzierung der Infrastruktur über sechs Jahre zu, die Schweiz sogar für zwölf. Deutschland in letzter Konsequenz nur für ein einziges Jahr.

 

Folgekosten der Generalsanierungen nur teilweise berücksichtigt

Die von der DB geplanten Generalsanierungen von nunmehr 41 Korridoren[1] beinhalten regelmäßig Vollsperrungen und damit verbundene Zugausfälle und -umleitungen von (mindestens) fünf Monaten, oftmals auch deutlich länger. Zwar haben sich Bund und Länder nun auf eine grundsätzliche Kostenteilung geeinigt. Damit erkennt der Bund an, dass es seine Unterfinanzierung der Infrastruktur war, die einen maroden Zustand herbeigeführt hat, der nun nur noch mit Bauen unter Vollsperrung zu beheben ist.

Aber das Verfahren zu genauen Bezifferung der Kosten unter Einbindung des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) droht überbürokratisiert zu werden. Es nimmt zudem nur die Kosten des Schienenersatzverkehrs (SEV) in den Blick. Andere Folgekosten bleiben außen vor, etwa ausbleibende Leistungsentgelte für die Verkehrsunternehmen infolge nicht stattfindender Fahrten oder die höheren Trassengebühren für erzwungene Umleitungsfahrten im Fern- und Güterverkehr.

 

ETCS-OBU-Förderung nicht ausreichend, Koordinierung unklar

Über Jahr hinweg umstritten war die Frage, ob der Bund die Ausrüstung von Schienenfahrzeugen mit digitalen Empfangsgeräten (On-Board-Units, OBU) fördern darf. Da es sich dabei um „ins Fahrzeug verlegte Signale“ handelt, war dies aus mofair-Sicht eindeutig zu bejahen. Dies erkennt der Bund nun an und schreibt es auch ins Gesetz. Das ist gut.

Allerdings bedeutet die lediglich anteilige Fördermöglichkeit von 90 % (für die so genannten „First-of-Class“-Fahrzeuge, FoC) und 60 % (Serienausrüstung), dass die EVU auf einem immer noch erheblichen Teil der Kosten sitzen bleiben werden, und das, ohne als Einzelunternehmen überhaupt einen konkreten Vorteil aus der Umrüstung ziehen zu können. Dieser stellt sich erst über die Umrüstung des gesamten Netzes und aller Fahrzeuge im volkswirtschaftlichen Rahmen ein.

Dass der Bund nun endlich auf Druck der Länder und der Branche die Notwendigkeit einer mit weitreichenden Kompetenzen ausgestatten Koordinierungsstelle anerkannt, ist gut und richtig. Aber eine bloße „Unterstützung“,[2] wie sie jetzt im Gesetz vorgesehen sein soll, reicht bei weitem nicht aus. Er muss sich direkt an der Stelle beteiligen, finanziell wie konzeptionell. Anderenfalls wird er – und dass wird auch den Bundesrechnungshof interessieren – das Bundesinteresse am Gesamtrollout der Digitalen Schiene nicht durchsetzen können. Derzeit erweckt das BMDV den Eindruck, als sei es von diesem komplexen Thema schlicht überfordert, und wolle daran auch nichts ändern.

[1] …die in Zahl, Lage und Ausdehnung geändert werden können.

[2] § 11a Abs. 8.

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Dr. Matthias Stoffregen

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