Ob mit oder ohne Sondervermögen: Maximale Effizienz nur mit Transparenz
Berlin (13. März 2025):
Unstreitig braucht Deutschlands Infrastruktur, vor allem die der Schiene, deutlich mehr Mittel. Dies vor allem nachhaltig, planbar und stetig über viele Jahre. Vor diesem Hintergrund erhält das Dauerthema „Entflechtung des integrierten DB-Konzerns“ eine neue, eine zentrale Bedeutung.
mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann: „Fakt ist: Die Schieneninfrastruktur ist über Jahrzehnte unterfinanziert gewesen. Wieviel aber genau fehlt, um sie wieder in Schuss zu bringen und ein echtes ‚Hochleistungsnetz‘ zu erreichen, wissen wir nicht. Vom integrierten Konzern DB genannte Zahlen erregen immer Misstrauen, weil sie nicht wirklich nachvollziehbar sind. Als Wettbewerbsunternehmen im Schienenpersonenverkehr sagen wir: Gerade weil die Eisenbahninfrastruktur so viele Milliarden Euro zusätzlich benötigt, brauchen wir maximale Transparenz. Diese gibt es nur mit der vollständigen Entflechtung der Monopolbereiche vom Rest des Konzerns. Die neue Infrastrukturgesellschaft muss eine direkte Bundesgesellschaft werden, analog der Autobahn GmbH.“
Der DB-Konzern vereinigt heute einerseits natürliche Monopole wie das Schienennetz, die Bahnhöfe sowie das Bahnstromnetz, andererseits die im Wettbewerb mit anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen stehenden Einheiten DB Fernverkehr, DB Regio und DB Cargo sowie mit DB Energie das nach eigener Aussage fünftgrößte Energieversorgungsunternehmen Deutschlands. Weitere konzernangehörige Unternehmen bieten IT-Dienstleistungen an (DB Systel), verkaufen Tickets (DB Vertrieb) oder beraten international zu Mobilitätsthemen und erbringen zugleich Verkehre z. B. in Indien oder Ägypten (DB ECO Group). Monopol- und Wettbewerbsbereiche gehorchen aber je eigenen Regeln und müssen daher voneinander vollständig getrennt werden:
Entflechtung…
…sorgt für finanzielle Transparenz
Bei der Schiene wird der Investitionsstau für die kommenden Jahre auf einen dreistelligen Milliardenbetrag beziffert. Da ist es für die politischen Entscheiderinnen und Entscheider essenziell zu wissen, wofür die geforderten Mittel genau aufgewendet werden sollen. Dieses Wissen gibt es aber nur dann, wenn die Schieneninfrastrukturgesellschaft direkt an den Eigentümer Bund berichtet und nicht den Umweg über die DB AG-Holding-Etage nehmen muss.
Der die Ergebnisabführungs- und Beherrschungsvertrag ermöglicht heute eine Verschiebung von Mitteln aus der DB InFrago AG, deren Einnahmen über die Anreizregulierung de facto garantiert sind, in den Wettbewerbsbereich, ohne dass dies die Regulierungsbehörde ahnden kann. Geschehen kann dies beispielsweise über überhöhte Entgelte entweder direkt an die DB AG (Holding) oder an die zahlreichen DB-Dienstleistungsgesellschaften, die ihre Gewinne ihrerseits an die Holding ausschütten. Die Holding kann diese dann nutzen, um die Transportgesellschaften Fernverkehr, Regio und (bisher) Cargo zu stützen.
Dadurch wird systematisch vernebelt, wo im Konzern Geld verdient und wo es verbrannt wird. Bei der InFrago entsteht wenig Druck, schlechte Prozesse zu verbessern. Warum ein Bahnsteig bei ihr ein Vielfaches der Summe kostet, die bei einem privaten Infrastrukturbetreiber anfällt, obwohl doch für beide dieselben technischen Standards gelten, ist anders kaum zu erklären.
Dass es sich hierbei nicht um die sprichwörtlichen Peanuts handelt, sieht man an der Riedbahn: Das Pilotprojekt der von der DB so genannten „Generalsanierungen“ zwischen Frankfurt/Main und Mannheim sollte zunächst 600 Mio. Euro kosten. Während der Arbeiten lag die Summe bei 1,3 Milliarden, kurz danach schon bei 1,5 Milliarden Euro. Inzwischen gehen Insider eher von 1,8 bis 2 Milliarden Euro aus. Offen kommuniziert werden solche Überschreitungen nicht.
…reduziert Steuerungsaufwand
Die bahnpolitische Debatte der vergangenen Legislaturperiode wurde stark von der Frage der „Steuerung der InFrago“ bestimmt, ganz so, als handele es sich dabei um eine Black Box. Viel wurde über „Steuerungsrucksäcke“, Qualitätskennzahlen und ein Gemeinwohlbarometer räsoniert. Der Hauptgrund dafür ist ebenfalls, dass der mittelbare Eigentümer (Bund) auf eine Aktiengesellschaft (InFrago) auf dem Umweg über eine andere Aktiengesellschaft (DB AG) keinen akzeptablen Zugriff erlangen kann – obwohl Steuergeld zum Einsatz kommt. Stattdessen suchte man mehr schlecht als recht nach Alternativen.
Eine GmbH im direkten Eigentum des Bundes wäre leichter zu steuern, ohne dabei in Mikromanagement zu verfallen. Viel Regulierungsaufwand würde entfallen.
…ermöglicht fairen Wettbewerb
Für die Entflechtung des Monopol- vom wettbewerblichen Bereich sprechen zudem wettbewerbspolitische Gründe: Wenn einem Unternehmen die Netze als vermeintlich neutrale „Benutzeroberfläche“ gehören, auf dem andere Unternehmen desselben Konzerns (Verkehrs-)Leistungen anbieten, gibt es immer Anreize, der Konkurrenz Steine in den Weg zu legen: Sei es durch eine Behinderung des Netzzugangs oder durch eine bestimme Bepreisung desselben, mit denen man die Konzernschwestern besser stellt. Für beides gab es in der Vergangenheit immer wieder erhebliche Verdachtsmomente und Verfahren vor der zuständigen Bundesnetzagentur.
…ist in anderen Branchen geübte Praxis
Die Überführung der jeweiligen Netzsparten in eigenständige, nicht konzernabhängige Gesellschaften ist in der Energiewirtschaft seit 2009/10 üblich; seitdem haben die vier großen Versorger RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall kein eigenes Netz mehr.[1] Für die Endkunden aus Industrie und Wirtschaft sowie für die Bürgerinnen und Bürger hat sich daraus ein Mehr an Wettbewerb ergeben – zu ihren Gunsten und mit konkurrenzfähigen Preisen.
…gefährdet keine Arbeitsplätze
Die immer wieder vorgebrachte Sorge, eine Entflechtung gefährde Arbeitsplätze, ist abwegig. In der gesamten Bahnbranche sind Fachkräfte rar gesät. Jede und jeder, der oder die heute Weichen stellt, Fahrpläne entwirft oder eben auch Züge fährt, wird dies in jeder anderen Struktur der DB-Unternehmen auch künftig tun können. Ebenso stehen mit den Wettbewerbsbahnen noch eine Vielzahl weiterer attraktiver Arbeitgeber mit Tarifbindung bereit.
…bedeutet keine jahrelange Selbstbeschäftigung
Anders als die Autobahn GmbH des Bundes, die völlig neu gegründet werden musste, arbeitet die DB InFrago längst. Ihre interne Organisation muss nicht auf einem leeren Blatt Papier neu entworfen werden. Die Mitarbeitenden machen weiter das, was sie bisher gemacht haben.
Zunächst würde die InFrago bloß „umgehängt“, also von einer Enkelgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland zu einer direkten Tochtergesellschaft werden, und ihre Rechtsform von einer dem Aktiengesetz unterworfenen AG in eine GmbH geändert werden.
Zug um Zug können und sollten weitere Teile der heutigen DB-Gesellschaften hinzukommen, wenn diese ihrerseits ein Monopol darstellen wie etwa das Bahnstromnetz der DB Energie oder wenn sie rein infrastrukturbezogene Aufgaben wahrnehmen. Bestimmte Funktionen, die heute woanders liegen, müssen auf die neue InfraGO GmbH übergehen, etwa das Fahrplandatenmanagement, das heute absurderweise bei der DB Fernverkehr liegt. Diese Umorganisationen aber können nach und nach im Verlauf der kommenden zwei Jahre erfolgen.
…ist keine „Privatisierung“!
Die Schieneninfrastruktur soll keineswegs privatisiert und damit Profitinteressen unterworfen werden. Sie soll vielmehr näher an den Bund, als Eigentümer, der sie im Wesentlichen finanziert, heranrücken und ihre Rolle als Teil der Daseinsvorsorge besser als bisher erfüllen können.
[1] Ihre ehemaligen Netzsparten existieren seitdem als Amprion, Tennet TSO, Transnet BW und 50 Hertz.