Entscheidung des OLG Frankfurt zeigt: Bahn.de und DB Navigator müssen reguliert werden

Künftige InfraGo muss alle betrieblich und vertrieblich relevanten Daten freigeben: gesetzliche Regelungen erforderlich

 Berlin (4. Oktober 2023):

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat eine gegenteilige Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und der DB untersagt, die bisherige Variante der Funktion „schnellste Verbindungen anzeigen“ in bahn.de und der App DB Navigator weiter zu verwenden. Diese sei „irreführend und unlauter“.[1] Grund ist, dass der Algorithmus so eingestellt war, dass er nach der ersten – der tatsächlich schnellsten – Verbindung an zweiter und an den folgenden Stellen u. U. keineswegs Verbindungen mit der kürzesten Fahrtzeit anzeigte. Dadurch wurden Eisenbahnverkehrsunternehmen benachteiligt, die weniger und/oder unter Umständen nur minimal langsamere Verbindungen anbieten, die aber von der Fahrplanlage günstiger liegen.

mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann: „Dass sich die DB vor Gericht für unlauteres Handeln verantworten muss, zeigt, dass sie entweder die Wirkungsweisen ihrer Algorithmen selbst nicht durchschaut, oder dass sie diese bewusst einsetzt, um ihr eigenes Angebot zu bevorzugen und damit den Wettbewerb zu schwächen. Beides unterstreicht die Notwendigkeit, die großen Portale bahn.de und den Navigator angesichts ihrer marktbeherrschenden Stellung unter die Regulierung der Bundesnetzagentur zu stellen.“

Die Entscheidung ist ein wichtiger Schritt zu einem fairen Wettbewerb im Schienenverkehr. Aber es müssen weitere Themen, auch im Kontext zur Errichtung der gemeinwohlorientierten Schieneninfrastrukturgesellschaft („InfraGO“), angegangen werden. Zwar ist der Fahrausweisvertrieb kein Teil der Infrastruktur wie Gleisnetz, Bahnhöfe oder das Bahnstromnetz. Vertriebssysteme sind grundsätzlich, anders als die bauliche Infrastruktur, reproduzierbar. Aufgrund des historisch geschützten Monopols der DB und ihres Verhaltens gegenüber Wettbewerbern war dies in Deutschland bisher jedoch zu volkswirtschaftlich akzeptablen Kosten nicht möglich.

Ein fairer Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern[2] kann den Zugang zum System Schiene deutlich erleichtern und damit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das haben andere europäische Länder wie beispielsweise Spanien oder Italien bereits gezeigt.

Dafür gibt es zwei Grundvoraussetzungen:

  1. Alle betrieblich und vertrieblich relevanten Daten müssen allen Anbietern zur Verfügung gestellt werden, die Fahrausweise verkaufen wollen. Gerade die für den fahrplanbasierten Onlinevertrieb so entscheidenden Echtzeitdaten müssen von den Infrastrukturunternehmen – denn nur diese wissen, wo sich die Züge gerade befinden, auf welchem Gleis sie abfahren, etc. – weitergeleitet werden. Und zwar ohne weiteren Filter.

 

Die Übertragung des Fahrplandatenmanagements an die DB Fernverkehr vom 1. April 2023 war ein absoluter Irrweg, der umgehend korrigiert werden muss. Dass ein Eisenbahnverkehrsunternehmen letztlich entscheiden kann, welchen Mitbewerbern es welche Daten zur Verfügung stellt, ist inakzeptabel.

 

  1. Die großen Portale wie bahn.de und die DB Navigator-App müssen von der Bundesnetzagentur reguliert werden. Dazu gehört auch deren Öffnung für die Produkte anderer Verkehrsunternehmen.

 

Die Regulierungsbehörde hat hier einschlägige Erfahrungen aus dem Netzzugang zur physischen Infrastruktur. Regulierung kann etwa bei der Überprüfung diskriminierender Algorithmen schneller greifen als der mühsame Weg über die nichtspezialisierte allgemeine Gerichtsbarkeit.

 

Dass die DB-Portale so stark im Markt vertreten sind, liegt nicht in ihrer Qualität per se begründet, sondern darin, dass die DB es bisher immer wieder verstanden hat, den Vertriebsmarkt abzuschotten und die Konditionen gegenüber unliebsamen Wettbewerbern ohne gesetzliche Regelungen selbst festzulegen. Die Komplexität des Marktes und seiner Funktionsweise hat ein Übriges getan.

[1] AZ: 6 W 61/23, „Schnellste Verbindung anzeigen“ ist irreführend | Ordentliche Gerichtsbarkeit Hessen,

[2] Das können neben den Verkehrsunternehmen auch unabhängige Vertriebsdienstleister sein.

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Dr. Matthias Stoffregen

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