Erst Koalitionsvertrag umsetzen, dann Posten besetzen!

Verbände sprechen sich gegen zeitnahe Nachbesetzung des Infrastrukturvorstands der DB aus

Berlin (25. März 2022):

Der Bundesverband SchienenNahverkehr, der die Interessen der Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs vertritt, und die beiden Verbände der Wettbewerbsbahnen für den Personen- und Güterverkehr, mofair und NEE, rufen Bund und DB-Aufsichtsrat auf, derzeit keinen Nachfolger für den ausscheidenden Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla zu benennen. Stattdessen können ein oder mehrere Mitglieder des jetzigen Vorstandes der DB AG das Ressort kommissarisch führen.

Die Eisenbahnverbände plädieren dafür, zunächst Klarheit über die künftige gemeinwohlorientierte Schieneninfrastrukturgesellschaft zu schaffen, die sich die Ampelkoalition vorgenommen hat. Leitungspositionen sollten erst auf dieser Grundlage besetzt werden.

Der Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sieht vor, die „Infrastruktureinheiten [..] der Deutschen Bahn AG [..] innerhalb des Konzerns zu einer neuen, gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte“ zusammenzulegen, deren „Gewinne aus dem Betrieb der Infrastruktur [..] zukünftig in der neuen Infrastruktureinheit“ verbleiben. Zugleich heißt es: „Die Eisenbahnverkehrsunternehmen werden markt- und gewinnorientiert im Wettbewerb weitergeführt.“[1]

Als Konsequenz sind einige Strukturreformen im Konzerngefüge und möglicherweise auch Änderungen an den gesetzlichen Grundlagen sowie den Rechtsformen und Satzungen der drei Infrastrukturunternehmen der DB AG, die das Netz, die Bahnhöfe, das Energienetz und einige Tochtergesellschaften dieser Unternehmen umfassen, notwendig.

Sofort könnten dagegen die Ergebnisabführungs- und Beherrschungsverträge zwischen den heutigen Infrastrukturgesellschaften und der Konzernholding beendet werden. Die Infrastruktur soll künftig nicht mehr auf die Gewinninteressen des Konzerns und des Bundes verpflichtet werden. Daher ist es besonders wichtig, die Infrastruktureinheiten auf geeignete Weise zusammenzuführen und die Gemeinwohlorientierung in der Satzung einer neuen Infrastrukturgesellschaft festzuschreiben.

Die Geschäftsführung einer solchen Gesellschaft sollte nach der Einschätzung der Verbände nicht mehr im Vorstand der DB AG vertreten sein, da nur so die gesetzlich geforderte Unabhängigkeit der Infrastrukturbetreiber gegenüber einer intransparenten Einflussnahme durch die DB-Transportgesellschaften gesichert werden kann.

In dieser Situation sollte darauf verzichtet werden, einen neuen Infrastrukturvorstand zu bestellen. Stattdessen sollte der Fokus darauf gelegt werden, die Umstrukturierung zu einer gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft zu bewältigen.

NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling:

„Wir würden es begrüßen, wenn unternehmerische Führungspositionen künftig nicht mehr durch ehemalige Politiker, sondern durch ausgewiesene Expert:innen eingenommen und zugleich in den Aufsichtsgremien auch die Vertretung der Kunden – Eisenbahnunternehmen, Aufgabenträger sowie Endkunden des Personen- und Güterverkehrs – durch den Eigentümer Bund berücksichtigt würde.“

Thorsten Müller, Vizepräsident des BSN:

„Der Koalitionsvertrag bietet durch die Ausrichtung der Schieneninfrastruktur auf das Gemeinwohl große Chancen. Neben einer schnellen Umsetzung der Gemeinwohlorientierung brauchen wir weitere viel deutlichere Beschleunigungen der für alle Schienenverkehre so dringenden Ausbaumaßnahmen der Schiene. Der Eigentümer der DB sollte diese Inhalte klären bevor hier bestehende Führungsstrukturen einfach fortgesetzt werden. Es gibt ja auch heute schon zwei Vorstandsvorsitzende von zwei DB-Infrastrukturunternehmen, die Ihre Aktiengesellschaften in eine organisatorische Umwandlung führen können. Wir brauchen und unterstützen eine leistungsfähige und im Verkehrsträgerwettbewerb erfolgreiche Schiene.“

mofair-Präsident Tobias Heinemann:

„Das Ressort Infrastruktur und Politik war schon bisher eine problematische Kombination: Ein und dieselbe Person sollte die ‚neutrale‘ Eisenbahninfrastruktur vertreten und gleichzeitig den Gesamtkonzern – der auch die Transportunternehmen DB Fernverkehr, Regio und Cargo umfasst, die mit den anderen Verkehrsunternehmen im Wettbewerb stehen. Das hat unterm Strich eher dazu geführt, dass der Verkehrsträger „Bahn“ noch immer bei vielen mit der DB gleichgesetzt wird. Das hat uns in den vergangenen Jahren nicht weitergebracht und muss aufhören.“

[1] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/04221173eef9a6720059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1, Seite 50.

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Dr. Matthias Stoffregen

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