Folgekosten der Generalsanierungen: Bund darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen

Bundesrat muss zum BSWAG den Vermittlungsausschuss anrufen

Berlin (4. März 2024):

Der Bundestagsbeschluss zum Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG) erweitert die Finanzierungsoptionen des Bundes in die Schieneninfrastruktur erheblich. Nach monatelangen Verhandlungen wurden allerdings wesentliche Forderungen des Sektors nicht aufgenommen: Weder gibt es eine Klarstellung, dass On-Board-Units des europäischen Leit- und Sicherungssystems ETCS gefördert werden dürfen, noch stellt der Bund in Aussicht, für die Folgekosten einzutreten, die aufgrund der Generalsanierungen bei Eisenbahnverkehrsunternehmen und Aufgabenträgern im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) auftreten.

mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann: „Während der Generalsanierungen sollen Strecken für mindestens fünf Monate voll gesperrt werden. Unsere Mitgliedsunternehmen haben während dieser Zeit keine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Ausfallende Fahrten werden nicht bezahlt. Die Kosten für Fahrzeuge und Personal aber bleiben.

Der Bund darf sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen: Über Jahrzehnte hinweg hat er es zugelassen, dass die Infrastruktur in einen so schlechten Zustand hinabgeglitten ist, dass jetzt nur noch Vollsperrungen helfen, und so versucht zu sparen. Er hat lediglich seinen Haushalt, aber nicht das Schienennetz saniert. Nun ist er in der Pflicht, die Folgekosten aus seinen Versäumnissen zu tragen. Dass er nun keine Mittel für die notwendigen Schienenersatzverkehre zur Verfügung stellen will, geht gar nicht. Die Bundesländer dürfen sich damit nicht zufriedengeben und müssen den Vermittlungsausschuss anrufen.“

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat sich die von der DB entwickelte Idee der Generalsanierungen voll zu eigen gemacht. Unisono mit der DB-Spitze vertritt er die Auffassung, dass nur mit dem Gewaltakt der Vollsperrung auf 40 Korridoren in insgesamt sieben Jahren bis 2030 die Infrastruktur wieder in einen befriedigenden Zustand gebracht werden könne.

Dabei ist dieser Ansatz auch im internationalen Vergleich keineswegs unumstritten; praktisch nirgendwo wird eine Vollsperrung dieser Länge empfohlen. Und bereits jetzt wird die Idee standardisierter Sperrpausen zunehmend aufgeweicht. Der Korridor Hamburg-Berlin wird nicht nur fünf Monate gesperrt, sondern 2025/26 insgesamt neun(!) Monate am Stück. Es deutet sich an, dass darüber hinaus noch weitere Korridore länger gesperrt werden müssen.

Wenn man jedoch diesem Ansatz weiterverfolgen will, muss sich der Bund zu den Folgen bekennen. Schließlich hat er den schlechten Zustand von Gleisen, Weichen, Bahnhöfen, Brücken, Tunneln und Bahnübergängen durch jahrzehntelange finanzielle Unterausstattung der Eisenbahninfrastruktur und durch ausgebliebene Strukturreformen bei der Deutschen Bahn AG selbst zu verantworten.

Die DB InFrago AG als Bauherr hat für das Jahr 2024 für die Zeit der Riedbahnsperrung Schienenersatzverkehr organisiert[1] und übernimmt dessen Kosten zu 60 %. Die verbleibenden 40 % übernehmen die regionalen Aufgabenträger und Eisenbahnverkehrsunternehmen, weil man unterstellt, dass es auch ohne Vollsperrungen eine gewisse Grundlast an SEV gegeben hätte, deren Finanzierung in den Verkehrsverträgen bereits geregelt ist.

Für das Jahr 2025 (Korridore Oberhausen-Emmerich und Hamburg-Berlin) hat die DB InFrago die SEV-Ausschreibung bereits veröffentlicht und plant, den Zuschlag im Juni 2024 zu erteilen. Für die Folgejahre 2026 bis 2030 soll es eine Ausschreibung über drei Lose geben, die im April veröffentlicht werden soll. Für Dezember ist der Zuschlag geplant.

Beide Ausschreibungen stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Das allein ist schon schlecht, weil sich potenzielle Bieter dreimal überlegen, an einem Verfahren teilzunehmen, bei dem völlig offen ist, ob es überhaupt zu einem Ergebnis führt.

Sollte es bei der Verweigerungshaltung des Bundes bleiben, drohen:

  • eine Aufhebung der SEV-Ausschreibungen durch die DB InFrago und womöglich chaotische Zustände für die Fahrgäste entlang der zu sanierenden Korridore
  • steigende Kosten des Schienenersatzverkehrs, weil wieder jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen auf eigene Faust Dienstleister suchen müsste – entgegen den bisherigen Absprachen.
  • noch größere finanzielle Herausforderungen bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen und, daraus resultierend, auch bei den Aufgabenträgern des SPNV, da diese einen Großteil dieser Kosten werden erstatten müssen.
  • Damit droht letztlich eine Kürzung des verbleibenden Angebots im SPNV.

[1] Dabei wurde der Auftrag an die SEV GmbH vergeben, eine Bustochter der Konzernschwester DB Regio AG. Damit ist die DB Regio in der Lage, trotz Vollsperrung weiter Geld zu verdienen, eine Situation, in die die meisten der Wettbewerbsbahnen voraussichtlich nicht kommen werden. Wohl auch deshalb wurde in der Pressemeldung der DB zur ersten Riedbahnsperrung im Januar 2024 die DB-Regio-Chefin Evelyn Palla ausführlich zitiert.

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