Ist der Bann gebrochen? Koalitionsausschuss bringt Fortschritte für die Schiene

Das frische Geld muss nun in frische Strukturen fließen

Berlin (27. März 2023)

Nachdem die Branche in den vergangenen Monaten ein ums andere Mal vertröstet wurde, haben es die Ergebnisse des Koalitionsausschusses vom 26. bis 28. März aus Schienensicht in sich: Geld aus der Erhöhung der LKW-Maut soll an die Schiene gehen, deren zusätzlicher Infrastrukturbedarf von 45 Milliarden Euro bis 2027 anerkannt wird. Das Bekenntnis zur Förderung der On-Board-Units, also der Empfangsgeräte für das digitale Leit- und Sicherungssystem ETCS in den Fahrzeugen, ist ebenfalls ein wesentlicher Schritt.

mofair-Präsident Tobias Heinemann:

„Das Warten hat sich doch gelohnt. Nach Monaten und Jahren des Nichtentscheidens sind nun wichtige Schritte gemacht, vor allem die Durchbrechung der bisher getrennten Finanzierungskreisläufe für Straße und Schiene durch Verkehrsminister Volker Wissing.

Die zusätzlichen Mittel dürfen ausschließlich in die Infrastruktur fließen. Dazu müssen eine neue Finanzierungsarchitektur und die gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte kommen.

Möglichst viele Mittel müssen über Baukostenzuschüsse fließen, da nur diese neutral für den Wettbewerb sind und die Trassen- und Stationspreise nicht nach oben treiben. Insbesondere dann aber, wenn es erneut Eigenkapitalerhöhungen bei den DB-Gesellschaften geben soll, müssen die Ergebnisabführungs- und Beherrschungsverträge zwischen den Monopolbereichen und der Konzernholding gekappt werden, vollständig getrennte Bilanzen aufgestellt sowie das Cashpooling und gegenseitige Kreditvergaben beendet werden.

Im Nahverkehr muss es jetzt nach der ‚Tarifoffensive‘, Stichwort Deutschlandticket, eine Angebots- und Qualitätsoffensive geben. Dafür erwarten wir angesichts der weiterhin anhaltenden Kostensteigerungen jetzt zusätzliche Mittel.“

Nach insgesamt über 30 Stunden Verhandlungen haben SPD, Grüne und FDP gestern eine Art „Koalitionsvertrag 2.0“ vorgelegt, ein Papier von 16 Seiten. Vor allem im Verkehrsbereich wurden wesentliche Weichen gestellt. Durch die Festlegung, dass „der weit überwiegende Teil“ aus Mautmehreinnahmen ab dem 1. Januar 2024 in die Schiene fließen soll, werden die bisher getrennten Finanzierungskreisläufe für Schiene und Straße miteinander verbunden. Damit wird ein wesentliches Hindernis für ein Umsteuern in der Klimaschutzpolitik endlich beseitigt.

Großen Wert legt das Papier zudem auf die Digitalisierung der Schiene: Der Bund hatte bereits das digitale Kapazitätsmanagement beim bundeseigenen Infrastrukturbetreiber DB Netz (technische Beschleunigung der Trassenkonstruktion und -vergabe) unterstützt. Nun bekennt er sich dazu, dass er die notwendigen Empfangsgeräte für das „European Train Control System“ (ETCS) nicht nur beim Pilotprojekt Digitaler Knoten Stuttgart, sondern grundsätzlich fördert. Das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Gesamtprojekt. Ein Alleinlassen der Eisenbahnverkehrsunternehmen und der Aufgabenträger im Regionalverkehr hätte im schlimmsten Falle zu einem Auseinanderdriften der Systeme geführt.

Wasser in den Wein bedeutet allerdings die deutliche Relativierung der Sektorziele im Klimaschutz. Sie wurde angesichts der bisherigen totalen Erfolglosigkeit des Verkehrssektors geradezu erzwungen. Sie kann aber fatale Folge haben, nämlich dann, wenn auch die Sektoren, die bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen bisher im Plan liegen (Industrie und Energieerzeugung), in ihren Anstrengungen nachlassen.

Und was wird aus dem noch im Koalitionsvertrag verankerten Anspruch, die Verkehrsleistung im Schienenpersonenverkehr bis 2030 im Vergleich zum Vorpandemieniveau zu verdoppeln? Er taucht nicht mehr auf, anders als der modal split von 25 % für den Schienengüterverkehr. „Vielleicht ist die Aufgabe dieses Ziels angesichts des maroden Zustands der Schieneninfrastruktur und der anstehenden Generalsanierungen realistisch“, räumt mofair-Geschäftsführer Matthias Stoffregen ein und fährt fort: „aber es wäre ehrlicher gewesen, das auch so zu sagen. Ein bisher hochgehaltenes Ziel durch Verschweigen einzukassieren, ist keine ehrliche Kommunikation.“

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Dr. Matthias Stoffregen

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