Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 25. September 2015 beschlossen, dass die Privatbahnen, die im Rahmen einer Ausschreibung einen Verkehrsvertrag gewinnen, das für diese Verkehre eingesetzte Personal des vorherigen Betreibers mit übernehmen und für die Laufzeit des neuen Verkehrsvertrages zu den bisherigen Bedingungen beschäftigen müssen.
„Mit diesem Beschluss läutet der Bundesrat das Ende des Wettbewerbs auf der Schiene ein“, sagte Hans Leister, Präsident von mofair, des Verbandes der wettbewerblichen Verkehrsunternehmen auf Schiene und Straße. „Der Wettbewerb hat den Ländern bisher eine Dividende in dreistelliger Millionenhöhe gebracht, Tendenz weiter steigend. Darauf scheinen die Länder angesichts des Kompromisses über die Regionalisierungsmittel nunmehr verzichten zu können.“
Befürchtungen, dass der Wettbewerb zu Lasten der Beschäftigten ging und geht, konnten bisher weder von Deutschen Bahn noch von den Ländern selbst, die die Verkehrsverträge ausschreiben, belegt werden. Zum Schutz der Arbeitnehmer haben die Länder außerdem Tariftreuegesetze erlassen, die für die Gewinner einer Ausschreibung verpflichtend angewendet werden müssen. Alle Privatbahnen haben gültige, mit der Situation der Arbeitnehmer der Deutschen Bahn vergleichbare Tarifverträge. DB Regio hat Ausschreibungen, z.B. im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, bisher nachweislich nicht wegen seiner angeblich höheren Personalkosten verloren.
Für den Fall, dass die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang vorliegen, werden die Arbeitnehmer bereits heute durch § 613 BGB geschützt. Dass darüber hinausgehende Schutzrechte für die Arbeitnehmer der Deutschen Bahn erforderlich sind, konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Ziel des verpflichtenden Personalübergangs ist aus Sicht der Wettbewerber, überzählige Personale und ineffiziente Betriebsstrukturen bei den Wettbewerbern abzuladen. „Schlank und effizient sieht anders aus; da kann die Deutsche Bahn von den Wettbewerbsbahnen viel lernen“, sagte Wolfgang Meyer, Vizepräsident von mofair. Wolfgang Meyer wies zudem darauf hin, dass sich die Beschäftigten angesichts des Personalmangels in einer guten Wettbewerbsposition befänden. Teilweise würben sich die Verkehrsunternehmen bereits wechselseitig das Personal ab.
Voraussetzung der verpflichtenden Personalübernahme ist die Kenntnis der konkreten Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer. Deshalb müssen die bisherigen Arbeitgeber, alle Informationen über das Beschäftigungsverhältnis allen Bewerbern um den Verkehrsvertrag bekannt geben. Das betrifft nicht nur den Lohn selbst, sondern auch Arbeits- und Pausenzeiten, Alterszuschläge, Ehestand, Kinderzuschläge, Betriebsrentenansprüche und vieles mehr.
„Das widerspricht dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer und dürfte einer verfassungsrechtlichen Prüfung kaum standhalten“, sagte mofair-Präsident Hans Leister. Vom Betriebsübergang wären auch Eisenbahnbeamte betroffen, für die das Bundeseisenbahnvermögen das Gehalt zahlt. „Es ist zumindest sehr zweifelhalft, ob deren „zwangsweise Weitergabe“ an einen Wettbewerber der Deutschen Bahn mit dem Beamtenrecht in Übereinstimmung zu bringen ist.“
Darüber hinaus schränkt der Beschluss des Bundesrates auch das Grundrecht der freien Wahl des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer ein. Der Betriebsübergang gilt nach dem Beschluss des Bundesrates ausnahmslos für alle Arbeitnehmer, die für die Erbringung der betreffenden Verkehrsleistung eingesetzt wurden. Sie können weder beim bisherigen Betreiber bleiben noch sich einen anderen als den neuen Betreiber als Arbeitgeber suchen. Der zwangsweise Personalübergang dürfte massive Produktivitätsverluste zur Folge haben.
Bisher ist der Personalübergang, wenn er im Einzelfall verlangt wird für die Arbeitnehmer freiwillig und an den Übergang von Betriebsmitteln wie Fahrzeugen, Werkstätten und anderen Ressourcen gebunden. Der Bundesrat lässt sich nicht dazu aus, was der neue Betreiber mit dem Werkstattpersonal anfangen soll, wenn die Werkstatt selbst nicht an den neuen Betreiber übergeht.
Im Übrigen haben die Privatbahnen mit Gewerkschaften für den Betriebsübergang gesonderte Tarifverträge abgeschlossen, die den jeweiligen Bedingungen sicher besser gerecht werden als eine pauschale gesetzliche Regelung es notwendigerweise kann. Mit dem Beschluss zur verpflichtenden Personalübernahme greift der Bundesrat – ohne dass es dafür den Rechtfertigungsgrund des Versagens der Tarifparteien gibt – in die Tarifautonomie ein.
Quelle: Pressemitteilung von mofair e.V. vom 29.09.2015