Rechnungshof kritisiert Nebelkerzen im DB-Konzernbericht

Staatsunternehmen steigerte seine Nettofinanzschulden zeitweise um 15 Millionen Euro täglich

Berlin (12. Januar 2022):

Die Rechnungsprüfer des Bundes ermahnen Regierung und Parlament erneut, bei Lageberichten der Deutschen Bahn AG genauer hinzusehen – schließlich wird dabei jede Menge Schönrechnerei sichtbar. So werden Politik und Öffentlichkeit über das Ausmaß der wirtschaftlichen Probleme getäuscht.

Zur Verschleierung werden immer neue, zu bereinigende „Sondereffekte“ definiert und die Verschuldungshöhe heruntergerechnet. Im Gegenzug werden Einsparungen gegenüber den Planwerten statt dem Vorjahres-Ist berechnet und erscheinen damit größer. Die Lage einzelner Sparten wird durch einen globalen Verrechnungsposten möglicherweise positiver als in der Realität. Die Rechnungsprüfer weisen darauf hin, dass sich auch 2021 die miserable Lage der DB AG neben Corona weiter verschlechtert hat: Im ersten Halbjahr 2021 wuchsen dadurch die Nettofinanzschulden täglich um knapp 15 Mio. Euro.

mofair-Präsident Tobias Heinemann: „Wäre die Deutsche Bahn eine normale Aktiengesellschaft, wären die Investoren bei solch dreisten Tricks längst über alle Berge. Der Gesellschafter Bund aber jedoch scheint das klaglos mit einem achselzuckenden ‚Irgendwas ist halt immer‘ hinzunehmen. Ehrliche Finanzkommunikation ist aber eine Grundvoraussetzung für die Verkehrswende.“ Er fährt fort: „Es wird höchste Zeit, dass die Schieneninfrastruktur – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – gemeinwohlorientiert geführt wird. Das bedingt auch eine klare Trennung der Kassen. Absolute Transparenz über die reale Lage ist unabdingbar. Dann kann und muss es deutlich mehr Geld für die neutrale Infrastruktur geben.“

NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling: „Bund und verladende Wirtschaft brauchen schlagkräftige und effiziente Güterbahnen zur Umsetzung der Klimaschutzziele. Die Rechnungsprüfer weisen darauf hin, dass die DB Cargo nicht nur enorme Defizite bereits seit 2015 produziert, sondern ihre Aussage, sie habe in der Pandemie die Versorgung der europäischen Wirtschaft grenzüberschreitend sichergestellt, mindestens unvollständig ist. Im Bericht wurde erkannt, dass es vor allem die Wettbewerber sind, die seit Jahren eine deutlich bessere Performance bieten und auch während Corona den Gütertransport am Laufen gehalten haben. Der Bericht ist eine weitere Mahnung, dass die Politik den Schienensektor nicht mit der DB gleichsetzen sollte, denn diese ist ein schlechteres Aushängeschild für die Branche.“

Nachdem seine einzelnen „Bemerkungen“ von Ende November recht breit in den Medien diskutiert worden waren, veröffentlichte der Bundesrechnungshof kurz vor Weihnachten weitgehend unbemerkt einen weiteren lesenswerten fünfzigseitigen Bericht, in dem der Jahresabschluss 2020 der DB AG kommentiert wird.

Er weist z. B. darauf hin, dass sich die wirtschaftliche Lage im Fernverkehr keineswegs nur wegen Corona problematisch entwickelt hatte, sondern auch, weil das angebliche „stabile Grundangebot“ kurzerhand mit dem Regelfahrplan gleichgesetzt wurde, statt es der drastisch gesunkenen Nachfrage anzupassen. Zudem wurden sogar im Lockdown noch Supersparpreise verteilt. Die Ertragslage von DB Regio hat sich ebenfalls deutlich verschlechtert, unabhängig von Corona.

Die wirtschaftliche Entwicklung der DB Cargo ist desaströs, während sie selbst verlauten lässt, die Rückgänge hätten mit der Abhängigkeit von rückläufigen Branchen zu tun. Der Bericht weist allerdings auf die positive Entwicklung der Wettbewerber zur DB Cargo hin und deren Stärken, die zu diesem Unterschied führen. Ludolf Kerkeling: „Es besteht dringender Handlungsbedarf für die Ampelkoalition, dieser Geldvernichtung ein Ende zu setzen und endlich Reformen anzustoßen, die nicht nur Schadensbegrenzung in Form von Defizitausgleichen darstellen, sondern ein wettbewerbsfähiges Unternehmen aufbauen. Zugleich muss die Regierung die angekündigte neue Infrastrukturgesellschaft sofort auf den Weg bringen, da die Kapazitäts- und Qualitätsprobleme, die im Herbst einen neuen Höhepunkt erreichten, nicht nur die Wettbewerber, sondern auch die DB-Gesellschaften ruinieren und die gesamte Branche im intermodalen Wettbewerb schwächen.

Über den Konzern-Aufsichtsrat muss die Bundesregierung den systematischen Verschleierungen in der Finanzkommunikation der DB AG, die vom Bundesrechnungshof kritisiert werden, ein Ende bereiten:

  • In der Konzernberichterstattung wird die zentrale Kennzahl EBIT seit Jahren jeweils um erhebliche Summen „bereinigt“, offiziell um Vergleichbarkeit zwischen den Jahren herzustellen. Das geschieht so oft und in so großen Volumina, dass der Verdacht naheliegt, dass die Wertberichtigungen eben keine Ausnahmen, sondern strukturell bedingt sind. Seit 2011 wurden insgesamt 5,5 Milliarden Euro „bereinigt“. „Damit wich das bereinigte EBIT stärker vom EBIT laut Konzernabschluss ab als bei beispielhaften anderen Konzernen mit Bundesbeteiligung“, heißt es im Bericht weiter.
  • Die von der DB 2019 begebenen Hybridanleihen in Höhe von zwei Milliarden Euro sind ebenfalls dazu angetan, die wahre Lage zu verschleiern: Zwar gelten diese nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) als Eigenkapital, nach dem deutschem Handelsgesetzbuch (HGB) wären sie aber Schulden (Fremdkapital). Das ist besonders deshalb relevant, weil die DB nach einer HGB-Betrachtung die schon mehrfach angepassten sogenannten Maßgabebeschlüsse, mit denen der Haushaltsausschuss des Bundestags eine Obergrenze der Verschuldung definiert, reißen würde.
  • Der Bericht weist darauf hin: „Im Segment Beteiligungen/Sonstige stieg das Defizit kontinuierlich an, ohne dass die Verlustursachen klar sind (EBIT 2020: -0,9 Mrd. Euro). Das Defizit ist auch im Vergleich mit anderen Konzernen auffällig hoch.“ Die Prüferinnen und Prüfer vermuten, dass hier Defizite anderer Konzernsparten – etwa der Transportunternehmen, speziell DB Cargo, nicht weiterberechnet, also gewissermaßen „geparkt“ werden. So würde die Lage der Sparten besser dargestellt, als sie tatsächlich ist.
  • In der Debatte zur Eindämmung der finanziellen Folgen der Corona-Pandemie hatte der Bundestag neben weiteren (wettbewerbsverzerrenden!) Eigenkapitalzusagen und der mehrfachen Anhebung der Verschuldungsgrenze auch eigene Sparanstrengungen der DB AG angemahnt („drei Säulen“). Diese meint die DB, bereits geleistet zu haben. Dies geht aber nur, weil sie „Einsparungen“ gegenüber ihrer eigenen vor der Pandemie aufgelegten „expansiven Planung“ berechnet. Anders formuliert: Es wurde gar nicht gespart, die Ausgaben stiegen nur etwas langsamer. Der Bundesrechnungshof weist darauf hin, dass in der Pandemie der Personalaufwand durch Einstellungen wuchs. Tobias Heinemann: „Andere Branchen, bei denen wie bei der DB 40 bis 90 Prozent der Nachfrage wegbrachen, konnten bestenfalls mit Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen wichtige Personale halten. Die DB als unnormales Unternehmen hat mit dem Blankoscheck des Bundes dagegen ihr Arbeitgeberimage poliert. Auch das verzerrt den fairen Wettbewerb.“

 

Den Bericht des Bundesrechnungshofs können Sie unter folgendem Link finden: https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/beratungsberichte/2021/betaetigung-des-bundes-bei-der-db-ag-im-hinblick-auf-die-wirtschaftliche-entwicklung-des-db-ag-konzerns-im-konzernabschluss-2020

Pressekontakt
Portrait von  Dr. Matthias Stoffregen

Dr. Matthias Stoffregen

Geschäftsführer mofair e. V.

Tel +4930509313041