9. Bahn-Sondergutachten der Monopolkommission stützt mofair-Forderungen
Berlin (5. Juli 2023):
Die Monopolkommission, gesetzliches Beratungsgremium der Bundesregierung, hat ihr neues Sondergutachten Bahn vorgelegt. Darin plädieren die Experten aus Recht, Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftspraxis dafür, die im Koalitionsvertrag vorgesehene gemeinwohlorientierte Schieneninfrastrukturgesellschaft (InfraGO) weitgehend unabhängig von den Transportgesellschaften der Deutschen Bahn AG aufzustellen, Qualitätsziele bei ihrer Finanzierung besser zu verankern und den Wettbewerb im Fahrausweisvertrieb weiter zu liberalisieren.
mofair-Geschäftsführer Matthias Stoffregen: „Die Feststellungen der Monopolkommission kommen zur rechten Zeit und bringen Schwung in die Strukturreformdebatte. Der Fokus auf mehr Transparenz und Qualitätsorientierung weist absolut in die richtige Richtung.
Sorgen macht uns die aktuelle Haushaltsplanung des Bundes, in der die dringend benötigten zusätzlichen Mittel für Schieneninfrastruktur und Digitalisierung (noch?) kaum zu finden sind. Strukturreformen und mehr Geld für die Infrastruktur müssen Hand in Hand gehen. Wir brauchen beides. Im Moment sieht es aber eher so aus, als mache die Bundesregierung weder das eine noch das andere richtig.“
Alle zwei Jahre veröffentlicht die Monopolkommission ein Sondergutachten zum Stand des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich. Dazu hat sie einen gesetzlichen Auftrag (§ 78 Eisenbahnregulierungsgesetz). Mit der vorliegenden 9. Ausgabe führt die Monopolkommission ihre klare Linie zur wettbewerblichen Ausgestaltung des Marktes konsequent fort und setzt dabei drei Schwerpunkte:[1]
Unabhängige Aufstellung der Schieneninfrastruktur
Die Kommission erkennt, dass nur eine vom Rest des Konzerns weitgehend unabhängige „InfraGO“ sicherstellt, dass die vorhandene Infrastruktur bestmöglich ausgelastet – weil es einer unabhängigen Gesellschaft egal ist, ob sie von Konzernschwestern wie DB Fernverkehr, DB Regio oder DB Cargo oder den Wettbewerbsbahnen genutzt wird. Jeder Anreiz zur Diskriminierung entfiele.
Es irritiert, dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing in seinen Statements jeder gesellschaftsrechtlichen Änderung eine Absage erteilt, obwohl das genaue Konzept für die InfraGO noch längst nicht feststeht.
Bessere Qualitätssteuerung
Absolut zu Recht weist die Monopolkommission darauf hin, dass die bisherigen monetären Instrumente zur Qualitätssteuerung weitgehend folgenlos geblieben sind:
Die DB Netz erreicht alljährlich die Kennzahlen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III), aber die Qualität sinkt trotzdem. Offensichtlich sind sie nicht zielgenau. Dazu hatte DB-Chef Richard Lutz anfangs des Jahres eingeräumt: „Wir haben die Kennzahlen mit dem Bund vereinbart, bei denen wir einigermaßen sicher waren, dass wir sie auch erreichen.“ (!)
Das Anreizsystem zwischen der DB Netz und den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) ist ebenfalls wirkungslos. Es zum einen schlicht zu gering dotiert: Noch immer ist es für DB Netz betriebswirtschaftlich sinnvoller, Zahlungen an die EVU zu akzeptieren, als teurere Maßnahmen zu ergreifen, die die Qualität erhöhen und die Verspätungen senken. Hinzu kommt, dass die Fahrdienstleiter die Verspätungskodierungen vornehmen, die Grundlage für die gegenseitigen Ansprüche aus dem Anreizsystem sind. DB Netz kann also die eigenen Risiken minimieren.
Zur Lösung schlägt die Monopolkommission vor, in die (jährlich festzulegende) Obergrenze der Gesamtkosten (OGK), aus denen die exakte Höhe der Trassenpreise abgeleitet wird, einen Qualitätsfaktor einzubeziehen. Das ist ein interessanter Ansatz. Allerdings wäre zu prüfen, wie er sich auf die einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen auswirken würde. Hier sollten vor allem die EVU entlastet werden, die besonders unter schlechter Qualität zu leiden haben.
Verbesserungen im Datenmanagement, vor allem für den Fahrausweisvertrieb
Wie ein unabhängiges Infrastrukturunternehmen keinen Anreiz hätte, einzelne Eisenbahnverkehrsunternehmen bei der Trassenvergabe zu bevorzugen, würde ein unabhängiger Vertriebsdienstleister einen Bias zugunsten eines einzelnen Verkehrsunternehmens bei der Darstellung verschiedener Fahrtalternativen vermeiden. Heute ist es aber so: Als „Eigner“ fast aller vertriebsrelevanter Daten kann die DB in ihren Medien bahn.de und DB Navigator durch subtile Mechanismen dafür sorgen, dass die konzerneigenen Produkte besser platziert werden.
Um diesen Effekt zu minimieren, müssen alle Vertriebs- und Betriebsdaten auch an Dritte herausgegeben werden, seien es spezialisierte Ticketvertriebsplattformen, seien es andere Verkehrsunternehmen. Die (noch nicht rechtskräftige) Abstellungsverfügung[2] des Bundeskartellamts[3] und auch die novellierte Fahrgastrechteverordnung der EU weisen in diese Richtung. Der Gesetzgeber sollte insbesondere das Fahrplandatenmanagement auf die künftige InfraGO übertragen. Denn letztlich sind Echtzeitdaten Infrastrukturdaten.
[1] https://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/9sg_bahn_volltext.pdf.
[2] Gegen die die DB bereits wieder Rechtsmittel angekündigt hat: https://www.deutschebahn.com/de/presse/pressestart_zentrales_uebersicht/Deutsche-Bahn-kritisiert-Beschluss-des-Bundeskartellamts-zu-Online-Vertriebsplattformen-10831698#, letzter Satz.
[3] https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2023/28_06_2023_DB_Mobilitaet.html.