Schiene im Haushalt 2024: Immer neue DB-Eigenkapitalerhöhungen sind keine Antwort

Steigende Trassenpreise und Wettbewerbsverzerrungen drohen;
dringend notwendige InfraGO-Steuerung wird noch schwieriger

Berlin (12. Januar 2024):

Nun will das Bundesfinanzministerium im Haushalt 2024 doch bei der Schiene kürzen. Angesichts der stabilen Ansätze beim Straßenbau ist das völlig unverständlich. Fast ungeschoren kommen zudem die geplanten Eigenkapitalerhöhungen des integrierten DB-Konzerns davon.

mofair-Präsident Becker-Rethmann: „Es geht nicht nur um die Höhe der Mittel für die Schiene, sondern auch um den Weg, sie zur Verfügung zu stellen. Das süße Gift von immer mehr Eigenkapitalerhöhungen bei der Deutschen Bahn macht abhängig. Es verzerrt den Wettbewerb, erhöht die Trassenpreise und macht die Steuerung der bundeseigenen Infrastruktur immer schwieriger. Wir raten stattdessen zur wirkungsvollen Medizin einer grundlegenden Reform der Finanzierungsarchitektur über ein Fondsmodell, wie sie die Beschleunigungskommission Schiene schon vor über einem Jahr gefordert hat.“

Die Bereinigungsvorlage des Bundesfinanzministeriums (BMF) für die parlamentarischen Beratungen des Haushalts 2024 setzt entgegen den bisherigen Beteuerungen bei der Finanzierung der Schiene doch den Rotstift an: Förderungen werden zusammengestrichen, darunter die Trassenpreisförderung für den gesamten Fernverkehr auf homöopathische 145.000 Euro (sic!). Ferner wird eine knappe Milliarde Euro für den Erhalt der Schiene aus den Ansätzen für Aus- und Neubau, Digitalisierung und Barrierefreiheit an Bahnhöfen herausgestrichen; lediglich der allein unzureichende Erhalt des Netzes wird mit knappen Mitteln bedacht.

Bemerkenswert und völlig inakzeptabel ist daran erstens, dass bei den Ansätzen zur Straßeninfrastrukturfinanzierung keine Kürzungen vorgesehen sind. Den Klimazielen der Regierung läuft dies total zuwider – die Verkehrswende scheint abgesagt.

Bemerkenswert ist zweitens, dass neben Arriva und Schenker keine weiteren Verkäufe aus dem internationalen Beteiligungsportfolio der DB AG in Betracht gezogen werden, um Mittel für die Infrastruktur zu generieren. Alle Beteiligungen, die nicht mit der Schiene in Deutschland zu tun haben, müssen auf den Prüfstand – etwa die DB International Operations. Aktivitäten im Ausland[1] oder auf bahnfremden Geschäftsfeldern[2] vernebeln nur den Fokus.

Bemerkenswert ist drittens, dass die Schieneninfrastruktur immer weniger regulär durch wettbewerbsneutrale Baukostenzuschüsse finanziert werden soll, sondern immer stärker durch delikate Eigenkapitalerhöhungen (EKE) bei der Deutschen Bahn AG. Zu der schon lange geplanten EKE noch aus dem Klimaschutzprogramm 2019 in Höhe von 1,125 Milliarden Euro sollen nun 4,375 Milliarden Euro zusätzlich hinzutreten, insgesamt also 5,5 Milliarden Euro allein im Jahr 2024. Dies ist der falsche Weg:

  1. Der Markt wird weiter verzerrt

Zwar beteuern Bund und DB AG unisono, die Mittel würden ausschließlich für wettbewerblich neutrale Infrastrukturzwecke aufgewendet, daher über die DB AG direkt an die neue DB InfraGO AG weitergeleitet und dort verbucht. Frisches Eigenkapital zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten werde jeweils zeitnah bei der DB vereinnahmt und gleich wieder ausgegeben, so dass dort keine Liquiditäts- oder Zinsvorteile entstehen könnten, die ihrerseits die wettbewerblichen DB-Unternehmen wie Fernverkehr, Regio und Cargo bevorteilen würden.

Diese Argumentation blendet aus, dass das zusätzliche Eigenkapital dennoch als solches in der Bilanz verbucht wird und die Refinanzierungsmöglichkeiten des Gesamtkonzerns verbessert, also auch die der im Wettbewerb stehenden Töchter. Dabei ist es angesichts der weiterhin existierenden Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge[3] zwischen der DB AG und den Töchtern und der gesamten Konzernfinanzierung unerheblich, wo genau formal die Verbuchung erfolgt. Eine Marktverzerrung lässt sich nicht ausschließen, solange der Bund völlig auf eine Reform der intransparenten Konzernfinanzierung verzichtet.

  1. Trassenpreise steigen noch weiter

Zusätzliches eingesetztes (Eigen-)kapital muss verzinst werden. Dadurch entsteht weiterer Druck auf die ohnehin schon durch die Decke gehenden Trassen- und Stationspreise.[4]

Im Wettbewerb mit der ohnehin schon privilegierten Straße wäre das für die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene tödlich. Eine grundlegende Reform des Trassenpreissystems tut Not, mit einer Orientierung an den Grenzkosten, an Qualität und Kapazität. Das Schienennetz als Monopolinfrastruktur muss dem gesamten Sektor zu fairen Bedingungen zur Verfügung stehen – sonst wird aus der InfraGO eine InfraNO.

  1. InfraGO kann noch schlechter gesteuert werden

Anders als Baukostenzuschüsse stehen Eigenkapitalerhöhungen dem Vorstand einer Aktiengesellschaft ohne jede Zweckbindung zur Verfügung. Flankierende Vereinbarungen zwischen dem Bund und seinem Unternehmen DB AG sind zwar möglich, bleiben aber unverbindlich, wenn das Geld einmal geflossen ist. Der Bund als Eigentümer kann einen AG-Vorstand nicht anweisen.

Branche, Monopolkommission und Bundesrechnungshof haben immer wieder moniert, dass das Bundesverkehrsministerium als der Eigentümervertreter bei der Steuerung der DB und vor allem der Infrastruktur nicht weiß, was es will. Und wenn es das wüsste, dass es dennoch keine Mittel hätte, seinen Willen gegenüber dem DB-Vorstand auch durchzusetzen. Noch mehr Eigenkapital für die DB ist kein Beitrag zu zielgerichteter Steuerung, sondern gibt dem Vorstand noch mehr Spielgeld in die Hand.

  1. Absage einer grundlegenden Änderung der Finanzierungsarchitektur?

Die Beschleunigungskommission Schiene hatte sich mit überwältigender Mehrheit für eine grundlegende Reform der Schieneninfrastrukturfinanzierung ausgesprochen: Statt 189 Einzeltöpfe sollte mit zwei Fonds für Aus und Neubau sowie Erhalt eine überjährige und transparente Finanzierungsform nach Schweizer Vorbild gefunden werden.[5]

Spätestens nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Übertragung von 60 Mrd. Euro Kreditermächtigungen auf den Klima- und Transformationsfonds tun weite Teile der Bundespolitik so, als habe das BVerfG Sondervermögen per se verboten. Das ist schlicht falsch. Gerade für eine nachhaltige Infrastrukturfinanzierung sind Fonds das Mittel der Wahl.

Im schlimmsten Fall führt die exzessive Nutzung von Eigenkapitalerhöhungen der DB dazu, dass „die DB der Fonds wird” – allerdings mit allen Nachteilen einer nicht steuerbaren AG und ohne die Vorteile, wie sie der BK Schiene vorschwebten.

 

 

[1] Wie ein Schnellbahnnetz in Indien: https://www.deutschebahn.com/de/presse/pressestart_zentrales_uebersicht/DB-Tochter-startet-Betrieb-auf-neuem-Schnellbahnnetz-in-Indien-12355732.

[2] „Zweck der DB Barnsdale AG ist der Erwerb, die Bündelung und die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen Luftfrachtanbieter und deren Tochterunternehmen […]“ https://www.deutschebahn.com/de/konzern/konzernprofil/Konzernunternehmen/Beteiligungen-6879538.

[3] Das, obwohl der Koalitionsvertrag sagt: „Gewinne aus dem Betrieb der Infrastruktur verbleiben zukünftig in der neuen Infrastruktureinheit.“ Dieses Ziel ist mit Ergebnisabführungsverträgen nicht erreichbar.

[4] Und die drohen auch jetzt schon massiv zu steigen, bis zu 19,5% im SPFV allein im Fahrplanjahr 2025 – trotz der mangelhaften Qualität: https://mofair.de/pressemitteilungen/#presse/pressemitteilungen/infrago-qualitaet-im-keller-preise-durch-die-decke/.

[5] Siehe Kapitel 3.1. des BKS-Abschlussberichts, S. 52 ff.

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Dr. Matthias Stoffregen

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