Statt Bommel schieben: Deutschlandticket weiter denken

Nur ein eingeschwungener Zustand schafft Spielraum für Effizienzgewinne

Berlin (8. November 2023):

Die mit großer Spannung erwartete Konferenz der MinisterpräsidentInnen mit dem Bundeskanzler hat keine nachhaltige Einigung zum Deutschlandticket gebracht. Zwar sollen die für 2023 bereitgestellten Mittel für den Ausgleich der Mindereinnahmen ins kommende Jahr übertragen werden. „Frisches Geld“ ist aber nicht vorgesehen, eine Verlängerung der Nachschusspflicht wird explizit ausgeschlossen. Stattdessen droht ab dem 1. Mai 2024 eine Preiserhöhung.

mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann: „Alle haben bürokratischen Aufwand – Verkehrsunternehmen und Verbünde müssen Tarifanträge stellen, Bund und Länder die Übertragung der 2023 nicht benötigten Mittel nach 2024 sicherstellen. Aber geklärt ist sonst nichts. Ohne mittelfristige Planungssicherheit kann das Deutschlandticket die in es gesetzten Hoffnungen aber nicht erfüllen: So wird es weder bei den Jobtickets noch bei den Studierendentickets mit Schwung vorangehen. Und die Strukturen, die vereinfacht werden sollen und müssen, bleiben wie sie sind. Mangelnde Kompromissfähigkeit zwischen Bund und Ländern und fehlende Ideen des Bundes haben in die Sackgasse geführt. Wir müssen aber aus der Endlosschleife der Nichtentscheidungen heraus, sonst kommen wir nie zum dringend benötigten Ausbau des Angebots.“

Klein-Klein in Endlosschleife

Weil das Deutschlandticket zum Preis von 49 Euro pro Monat erst am 1. Mai 2023 an den Start gehen konnte, werden die von Bund und Ländern je hälftig zur Verfügung gestellten Mittel von 3 Milliarden Euro zur Deckung der Mindereinnahmen der Verkehrsunternehmen absehbar nicht vollständig benötigt. Die für 2023 vereinbarte Nachschusspflicht wird daher nicht zum Tragen kommen.

Für das Folgejahr gibt es keine solche Pflicht. Schätzungen der Branche gehen aber von einem Bedarf in Höhe von gut 4,6 Milliarden Euro aus. Daher hatten die Länder im Vorfeld der MPK vom Montag ihre Bereitschaft bekundet, ihrerseits die Hälfte der zusätzlichen Mehrkosten zu übernehmen und den Bund aufgefordert, das gleiche zu tun. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte dies aber wiederholt abgelehnt.

Bund und Länder haben nun vereinbart, die ihn ihren jeweiligen Haushalten für das Jahr 2023 eingeplanten Mittel ins Jahr 2024 zu übertragen. Dafür muss der Bund auch das Regionalisierungsgesetz entsprechend anpassen.

Damit ist zwar erst einmal der Fortbestand des Tickets zum bisherigen Preis sichergestellt, was mofair begrüßt. Die Landesverkehrsminister haben aber nun erneut die Aufgabe, ein Konzept zur Weiterentwicklung des Tickets ab dem 1. Mai 2024 zu erarbeiten.

mofair bedauert diese weitere (Nicht-)Entscheidung. Wo der Gordische Knoten durchschlagen werden müsste, bleiben Bund und Länder im Klein-Klein stecken.

Mangelnde Planungssicherheit schwächt das Tarifprodukt…

Das Ticket hätte mit seiner Einfachheit ein Potenzial von weit mehr als den aktuellen 10-11 Millionen Nutzern. Gerade in der Ausprägung als Jobticket wäre noch sehr großes Potenzial vorhanden, nur:

  • Welcher prinzipiell Umsteigewillige auf den ÖV schafft sich ein Abo an und womöglich sein Auto ab, ohne sicher zu sein, dass das Abo von Dauer ist?
  • Welcher Arbeitgeber wird seinen Beschäftigten dieses Goodie anbieten wollen, wenn er nicht weiß, ob es das Angebot in wenigen Monaten überhaupt noch gibt?
  • Wie sollen die ASten der Universitäten und Fachhochschulen vorgehen? Ohne Sicherheit zum Deutschlandticket hängen auch die Semestertickets weiter in der Schwebe.

Unter diesen Bedingungen fällt es der Branche schwer, ihre Marketinganstrengungen auf die Gewinnung neuer Abonnenten zu verstärken. Die Gefahr, sich unglaubwürdig zu machen, ist zu groß.

…und vereinfacht weder die Tarifstrukturen noch treibt es die Digitalisierung

Auf den Wunsch der Länder nach zusätzlichen Bundesmitteln reagierte Verkehrsminister Wissing gebetsmühlenhaft mit der Forderung nach der Vereinfachung der Tarif- und Organisationsstrukturen in den Ländern und Regionen. Andersherum wird ein Schuh draus: Das Deutschlandticket muss es mindestens fünf Jahre verlässlich geben, damit eine deutliche Entschlackung der heutigen Strukturen sowie überkomplexen „Spaghettifinanzierung“ des öffentlichen Verkehrs möglich wird. Erst dann wird offenbar, wie viele Finanzmittel dauerhaft für das heutige Angebot benötigt werden und dann müssten die staatlichen Ebenen Bund, Länder, Kommunen entscheiden, wer davon wieviel zahlt. Ohne einen solchen „eingeschwungenen Zustand“ werden alle Tarifstrukturen und fast alle Tarifprodukte erhalten werden müssen.

Besonders auffällig ist, dass das BMDV außer dem Verweis auf knappe Kassen keinerlei inhaltlichen Beitrag, wirklich nicht einen, zur geforderten Vereinfachung der Strukturen geleistet hat. Das ist zu wenig. Und auch die Länder dürfen gern aktiv werden. Dass es einfacher werden muss, ist unstrittig – aber massive Einsparungen wird dies nicht bringen, schon gar nicht im Milliardenbereich.

Pressekontakt
Portrait von  Dr. Matthias Stoffregen

Dr. Matthias Stoffregen

Geschäftsführer mofair e. V.

Tel +4930509313041