mofair fordert rechtlich und wettbewerblich saubere Lösung
Berlin (3. Dezember 2020):
Gestern hat die Deutsche Bahn eine Ausweitung des Angebots im Fernverkehr zum Fahrplanwechsel und über Weihnachten vorgestellt, obwohl es kaum Nachfrage gibt und sich daran selbst über die Feiertage wenig ändern wird. „Der Bund fordert angesichts der Pandemie, dass das Angebot ausgeweitet wird,“ sagt mofair-Präsident Christian Schreyer. „Das geht rechtlich sauber nur über eine Notvergabe der Leistungen an die DB Fernverkehr. Im Gegenzug müssen die Kosten transparent gemacht werden. Gleichzeitig müssen auch die Wettbewerbsbahnen im Fernverkehr ihre Leistungen gegen Entgelt fahren dürfen.“ In anderen Mitgliedsstaaten der EU hat man sich bereits auf diese Weise ehrlich gemacht, oder eben wie in Frankreich und Italien das Angebot der Nachfrage angepasst.
Die Deutsche Bahn AG hat in der Corona-Krise das Angebot im Schienenpersonenfernverkehr mit ICE- und IC-Zügen weitgehend aufrechterhalten, obwohl die Nachfrage nicht annähernd wirtschaftlich tragfähig ist. Zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2020 wird das Angebot, auch als Ergebnis des Corona-Spitzentreffens von Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten vom 25. November[1], trotz der äußerst geringen Auslastung sogar noch ausgeweitet.
Die DB Fernverkehr kann die Leistung in diesem Maße nur deshalb aufrechterhalten, weil sie davon ausgeht, dass der Bund die entstehenden riesigen Verluste ausgleichen wird. Dieser Ausgleich soll nach den bisherigen Plänen durch eine Eigenkapitalaufstockung oder eine weitere Erhöhung der Verschuldungsgrenze durch den Eigentümer Bundesrepublik Deutschland erfolgen.
Eine Eigenkapitalaufstockung zum Ausgleich von Unternehmensverlusten, die aufgrund der Übernahme von Leistungen, die ohne Gewinnaussicht im öffentlichen Interesse erbracht werden, ist jedoch grundsätzlich der falsche Weg. Daher kann die EU-Kommission einer Eigenkapitalerhöhung für diesen Zweck nicht zustimmen. Die Bundesregierung weiß dieses und hat daher bislang den Antrag zur Notifizierung dieser staatlichen Beihilfe noch nicht einmal gestellt, weil sie wettbewerbsschützende Auflagen fürchtet.
Stattdessen steigt die Verschuldung der DB AG exorbitant. Niemand würde der DB AG Kredit gewähren, wenn nicht klar wäre, dass am Ende der Bund im Zweifel die Rechnung zahlt. So kommt die DB AG aber an günstiges Geld, ohne Auflagen fürchten zu müssen, allein seit 2018 mehr als 10 Mrd. €.
Der bereits vorhandene implizite Verkehrsvertrag[2] zwischen dem Bund und dem Staatsunternehmen Deutsche Bahn AG kann legalisiert werden, wie es in anderen EU-Ländern (z. B. in Österreich) geschehen ist: Eine Notvergabe ist die einzige nach EU-Recht vorgesehene Möglichkeit, einem Eisenbahnverkehrsunternehmen Geld für gemeinwirtschaftlich notwendige Leistungen zukommen zu lassen. Dass die DB Fernverkehr gemeinwirtschaftliche Leistungen erbringt, ist spätestens jetzt nicht mehr zu bestreiten. Mindestens gemäß ihrem bisherigen Marktanteil müssen auch die anderen Fernverkehrsanbieter auf der Schiene berücksichtigt werden.
[1] Im Ergebnispapier des Online-Treffens vom 25.11.2020 heißt es unter dem Punkt 18: „…Die Deutsche Bahn wird im Fernverkehr zusätzliche Maßnahmen in der Corona-Pandemie ergreifen. Die Sitzplatzkapazität wird deutlich um über 20 Mio. Platzkilometer pro Tag erhöht, um noch mehr Abstand zwischen den Reisenden zu ermöglichen. Die Reservierbarkeit der Sitzplätze wird parallel dazu beschränkt.“ (https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975232/1820090/11c9749f77a71b9439759538864aa672/2020-11-25-mpk-beschluss-data.pdf?download=1)
[2] Die Deutsche Bahn selbst schreibt in ihrer Pressemeldung vom 2. Dezember 2020: „Mit dem deutlichen Ausbau des Verkehrsangebots zu Weihnachten 2020, der erfolgten Anpassung des Reservierungssystems sowie der Ausweitung von Masken-Kontrollen setzt die DB die jüngsten Beschlüsse von Bund und Ländern um,“ (Hervorhebung mofair) – ganz so, als sei sie in einem Verkehrsvertragsverhältnis mit dem Aufgabenträger für den Fernverkehr, der Bundesrepublik Deutschland. (https://www.deutschebahn.com/de/presse/pressestart_zentrales_uebersicht/DB-setzt-Sonderzuege-ein-und-baut-Maskenkontrolle-aus-5753210?contentId=1204030). Diese Haltung hat DB-Vorstandsvorsitzender Dr. Richard Lutz am Abend in den „ARD-Tagesthemen“ wiederholt.