Struktur des Bahnwesens grundsätzlich auf den Prüfstand stellen

Alle Nutzer der DB-Infrastrukturen beteiligen

Berlin (15. Januar 2020)

„Eine offene und parteiübergreifende Debatte, wie das Bahnwesen in Deutschland künftig aufgestellt sein soll, ist längst überfällig“, kommentiert mofair-Präsident Christian Schreyer aktuelle Beiträge aus den Koalitionsfraktionen, „zumal angesichts der großen Hoffnungen, die sich in der Klimaschutzpolitik an die Schiene richten. Diese Diskussion darf aber kein Selbstgespräch des Bundes mit seinem eigenen Unternehmen Deutsche Bahn AG sein. Die Wettbewerbsbahnen als Kunden der DB-Infrastrukturunternehmen müssen dabei beteiligt werden.“ Sie können am fundiertesten Verbesserungspotenziale aufzeigen, da sie ohne Rücksicht auf die DB-Konzerndisziplin agieren können. Zudem reiche ein einzelner „Bahngipfel“, wie in den vergangenen Tagen im Gespräch, nicht aus, um fundierte Entscheidungen zu treffen.

In der Haushaltsdebatte Ende November 2019 hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer dazu ermuntert, die Strukturen des Bahnwesens „ohne Denkverbote“ zu überprüfen. Er hatte dabei einerseits auf die hohen Erwartungen verwiesen, die an den Verkehrsträger Schiene gestellt werden, andererseits auf die verbesserungswürdige Performance des Bahnsystems.

In der Folge bestätigten sowohl Scheuer selbst als auch andere Vertreter der Koalition derartige Überlegungen. War zunächst von einem politisch besetzten Gremium die Rede, steht zurzeit eher ein „Bahngipfel“ im Raum. Dabei ist die Vorstellung, auf einer Sitzung alle Fragen beantworten zu können, unrealistisch. Zwar ist es richtig, strukturelle Fragen mit Rücksicht auf alle Beteiligten, nicht zuletzt die Beschäftigten des DB-Konzerns selbst, nicht zu lange mit ungewissem Ausgang zu diskutieren. Dennoch müssen wichtige Fragen gründlich ausgeleuchtet werden, zumal angesichts so wichtiger Zukunftsprojekte wie dem Deutschland-Takt oder der weiteren Digitalisierung der Schiene. Andernfalls ginge die Debatte nach kurzer Zeit wieder von vorn los, und nichts wäre gewonnen.

Vor allem der Bundesrechnungshof hatte immer wieder kritisiert, dass die Bundesregierung keine konsistente Strategie in Bezug auf ihr größtes Bundesunternehmen habe. Er hatte gefordert, das Bundesinteresse an der Beteiligung genauer zu spezifizieren. Wenn die Regierung dieser Aufforderung nun nachkommen will, ist das richtig. Es wird aber nicht reichen, wenn sie dabei nur mit sich selbst und dem bundeseigenen integrierten Konzern Deutsche Bahn AG redet. Dieser will weder Wettbewerb auf der Schieneninfrastruktur fördern, noch seine eigenen Kapitalströme transparent machen – denn dann würden etwaige Quersubventionierungen der DB Transportunternehmen aus dem steuerfinanzierten Infrastrukturbereich offenbar werden.

Nicht zuletzt, weil die Deutsche Bahn AG Eigentümerin natürlicher Monopole ist, nämlich des Gleisnetzes, der Stationen und Terminals sowie des Bahnstromnetzes, müssen auch die Infrastrukturnutzer an der Debatte beteiligt werden, die nicht Teil des DB-Konzerns sind. Bei einem Marktanteil von bald 40 % im Schienenpersonennahverkehr und von über 50 % im Schienengüterverkehr sollte das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

Folgende Punkte müssen bei der anstehenden Strukturdiskussion mindestens diskutiert werden:

  1. Einheitliche Infrastrukturgesellschaft: Sollten alle Eisenbahninfrastrukturen in einer rechtlichen Einheit zusammengefasst werden, um die Zersplitterung der Zuständigkeiten zu beseitigen?
  2. Ende des Renditedrucks auf die Eisenbahninfrastruktur: Ist es wirklich richtig, dass die steuerfinanzierte Schieneninfrastruktur als natürliches Monopol eine „angemessene Verzinsung“ auf ihr eingesetztes Kapital verdienen muss? Sollten nicht hier die „volkswirtschaftliche Ziele“ des Koalitionsvertrags Anwendung finden? Gegenüber der Straßeninfrastruktur erhebt jedenfalls niemand vergleichbare Renditeforderungen.
  3. 3Zukunft des integrierten Konzerns aus Monopol- und Wettbewerbsbereichen: Kann diese steuerfinanzierte Schieneninfrastruktur, die nicht gewinnorientiert gesteuert werden sollte, wirklich Bestandteil eines vollintegrierten Konzerns mit im Wettbewerb stehenden Eisenbahnverkehrsunternehmen, die selbstverständlich betriebswirtschaftlich geführt werden müssen, sein? In einer solchen Struktur besteht immer die konkrete Gefahr von Wettbewerbsverzerrung und Diskriminierung.
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