Trommelfeuer mit Rohrkrepierern gegen das vierte Eisenbahnpaket

Der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments wird voraussichtlich am 26.11.2013 sein Votum über das 4. Eisenbahnpaket beschließen. Da wird jede Stimme gebraucht, die für die Vorteilhaftigkeit eines integrierten Bahnkonzerns spricht, und seien die Argumente auch noch so falsch und abwegig.

So wirft sich auch der emeritierte Verkehrswissenschaftlicher Gerd Aberle in der Veröffentlichung „Die DB AG im Kreuzfeuer der EU-Kommission“, die wortgleich in verschiedenen Publikationen erschienen ist, für eine integrierte Deutsche Bahn in die Bresche.

Aberle konstatiert „theoretische Argumentationsarmut“ bei der Kommission. Sie behaupte, dass Unbundling zu Trassenpreissenkungen führe. Systematische Untersuchungen zu den Systemvorteilen integrierter Bahnunternehmen würden ignoriert. Einige bedeutende SPNV-Aufgabenträger versuchten, möglichst DB-Wettbewerber erfolgreich werden zu lassen. Der Fernbus konkurrenziere zunehmend ICE-Strecken. Das interessiere die EU-Kommission nicht, auch nicht die finanzpolitischen Konsequenzen einer Trennung. Die DB AG habe dem Netz durch Verlustübernahmen, Kapitalerhöhungen und Eigenmittelinvestitionen rund 18 Mrd. EUR zugeführt.

Das zentrale Argument der EU-Kommission ist die auch von Aberle nicht bestrittene Tatsache, dass integrierte Eisenbahnkonzerne erhebliche Möglichkeiten haben, Wettbewerber auf der Schiene zu diskriminieren. Davon macht die DB AG reichlich Gebrauch, siehe Bahnstrom, Querfinanzierung, Zahlungsmodalitäten, Vertrieb, Infrastrukturausbau. Im Ergebnis findet weniger Eisenbahnverkehr statt, als sich bei fairem Wettbewerb ergeben würde. Was daran theoretische Argumentationsarmut ist, bleibt das Geheimnis von Aberle. Er selbst „glaubt“, wie er in einem Beitrag 2008 geschrieben hat, dass sich die Nachteile des integrierten Unternehmens durch Regulierung beherrschen ließen. Dagegen sprechen die empirischen Erfahrungen. Aber wer glaubt, braucht keine Beweise.

Dass Unbundling zu sinkenden Trassenpreisen führt, hat die Kommission nirgendwo behauptet. Allerdings würde mehr Verkehr auf der Schiene zu höheren Trasseneinnahmen führen. Das würde die Finanzierung der Schiene erleichtern. Alle systematischen Untersuchungen, die die Vorteilhaftigkeit eines integrierten Eisenbahnunternehmens belegen, wurden im Auftrag integrierter Eisenbahnkonzerne erstellt. Unabhängige Wissenschaft sieht anders aus.

Ungeheuerlich ist der Vorwurf an die Aufgabenträger, sie würden jetzt noch Wettbewerber der Deutschen Bahn bevorzugen. Das Gegenteil ist der Fall. Die DB hat in der Vergangenheit in großem Umfang und jüngst sogar noch in Sachsen-Anhalt Direktverträge erhalten. Erst das von den Wettbewerbern erstrittene Urteil des BGH vom 8.2.2011 in Sachen Abellio hat klargestellt, dass Verkehrsverträge ausgeschrieben werden müssen. Heute klagt DB Regio gegen jede Ausschreibung, die sie nicht gewonnen hat.

Die Fernbusliberalisierung hat der deutsche Gesetzgeber und nicht die Kommission verfügt. Das scheint Herrn Aberle entgangen zu sein. Die Kommission für alles verantwortlich zu machen, ist ja gängige politische Praxis; aber dass ein Wissenschaftler sich dem anschließt, ist schon bemerkenswert.

Die finanzpolitischen Konsequenzen einer Trennung hat die Kommission ganz besonders im Blick. Gerade auf diesem Auge blind zu sein, kann man der Kommission nicht vorwerfen. Es ist unzutreffend, dass die DB Holding der DB Netz 18 Mrd. €. zur Verfügung gestellt hat. Das behauptet nicht einmal die DB selbst. Auf der Bilanzpressekonferenz der DB am 21.3.2013 hat der Finanzvorstand Dr. Richard Lutz gesagt: „Und selbst, wenn man den gesamten Zeitraum 2000-2012 (seit Bestehen des Ergebnisabführungsvertrages) betrachtet, hat die DB AG netto rd. 2 Mrd. €. In die DB Netz AG gesteckt.“ An anderer Stelle spricht die DB von 1,8 Mrd. €. Von 18 Mrd. € ist jedenfalls nirgendwo die Rede. Aber vielleicht hat sich Herr Aberle auch mit den Kommastellen vertan. Kann ja vorkommen.

Aber selbst der Betrag von 1,8 oder 2 Mrd. € trifft nicht zu. Denn die Mittel können nicht aus der DB-Holding stammen, denn dann hätten die Transportunternehmen sie vorher erwirtschaften müssen. Wie aus den Geschäftsberichten von DB Netz zu entnehmen ist, sind die Investitionen des Netzes, die angeblich von der DB-Holding stammen, aus dem Cashflow von DB Netz finanziert worden. Nach den Angaben in den Geschäftsberichten der letzten 10 Jahren betrugen die Nettoinvestitionen insgesamt 11,037 Mrd. €, der Cashflow von DB Netz war mit 10,818 Mrd. € fast genauso hoch.

Obwohl die DB Holding also keine Netzinvestitionen finanziert hat, steht DB Netz beim DB-Konzern mit rd. 8,278 Mrd. € in der Kreide. 2001 waren es nur 1,448 Mrd. € betragen, in zehn Jahren ein Anstieg um mehr als das Fünffache. Allein dafür bekommt die DB-Holding Zinsen von rd. 373 Mio. € jährlich.

Woher die Schulden stammen, ist den Geschäftsberichten nicht zu entnehmen. Vieles spricht für die Vermutung, dass im Rahmen der Konzernfinanzierung Umschichtungen zwischen den Konzerntöchtern vorgenommen, also Mittel aus der DB Netz AG abgezogen und durch konzerninterne Kredite ersetzt wurden.

Quelle: Pressemitteilung von mofair e.V. vom 14.11.2013

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