Umgang mit der Corona-Krise: Wohin steuert der Bund?

Bund bezahlt doppelt für DB-Tickets

Berlin (19. November 2020):

„Möchte die Bundesregierung im Windschatten der Corona-Krise den Wettbewerb im Bahnsektor weiter schwächen?“, fragt mofair-Präsident Christian Schreyer. „Die einseitige Eigenkapitalerhöhung für die Deutsche Bahn AG, während nichts für die eigenwirtschaftlichen Eisenbahnverkehrsunternehmen getan wird, lässt dies ahnen. Und wenn Bundesbedienstete jetzt für eine Dienstreise zwei Sitzplätze im Zug buchen dürfen, unterstützt der Bund die DB erneut einseitig. Nebenbei erweist er dem öffentlichen Verkehr einen Bärendienst: So unterstellt er fälschlicherweise, Reisen im öffentlichen Verkehr sei in Pandemiezeiten gefährlich“, zeigt sich Schreyer verwundert.

Durch ein Rundschreiben ermöglicht das Bundesinnenministerium nun, dass Beschäftigte des Bundes bei Dienstreisen nicht nur einen Sitzplatz für sich reservieren und buchen dürfen, sondern gleich deren zwei. Zur Begründung wird auf vermeintlich mangelnden Abstand verwiesen, der den Bediensteten in Corona-Zeiten nicht zugemutet werden solle.

Diese Maßnahme offenbart die derzeitige Orientierungslosigkeit der Verkehrspolitik:

  1. Die Bundesregierung betont andernorts zu Recht, dass der öffentliche Verkehr keine Corona-„Virenschleuder“ ist. Ansteckungen in Bussen und Bahnen sind bisher nicht nachgewiesen worden. Nach dem erstmaligen Einbruch der Fahrgastzahlen im Lockdown im Frühjahr wirbt die Verkehrsbranche mit der Kampagne „gemeinsam #besser weiter“ (https://www.besserweiter.de/) engagiert um Vertrauen bei den Fahrgästen.

Die Bundesregierung untergräbt jetzt selbst mit missverständlichen Äußerungen und dem besagten Rundschreiben des BMI alle Bemühungen des Sektors, wieder auf die Beine zu kommen.

  1. Gleichzeitig hält die Bundesregierung an ihrem Ziel fest, exklusiv die Deutsche Bahn AG mit einer Eigenkapitalerhöhung in Höhe von 5 Mrd. Euro zu stützen, vermeintlich zur Behebung von Folgen der Corona-Pandemie. Dies ist massiv wettbewerbsverzerrend, vor allem weil Wettbewerbsunternehmen – außer im Nahverkehr teilweise – bisher keinerlei Unterstützung erhalten haben.

Auch „November-Hilfen“ gibt es für sie nicht. Denn das Fahren leerer Züge ist formal nicht verboten, anders als etwa das Offenhalten von Restaurants. Leisten kann es sich allerdings nur die DB Fernverkehr – im Vertrauen auf die Eigenkapitalerhöhung und als Teil eines integrierten Konzerns, dessen Infrastruktursparten von Zugstreichungen negativ betroffen wären.

mofair und das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen, die Verbände der Wettbewerbsbahnen, haben dazu vor wenigen Tagen an die Bundeskanzlerin und an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschrieben[1], weil Gespräche mit den zuständigen Ministerien zuvor monatelang erfolglos geblieben waren.

In den aktuellen Haushaltsberatungen ist kein Kurswechsel in Sicht: Zwar sind weder die eine Milliarde Euro Eigenkapitalerhöhung für die Deutsche Bahn AG aus dem Klimaschutzpaket noch die 5 Mrd. Euro wegen Corona bislang durch die EU-Kommission genehmigt. Dennoch sieht der Haushaltsentwurf für 2021 eine weitere „Klimaschutzpaket“-Eigenkapitalerhöhung in Höhe von 1,125 Mrd. Euro vor.

  1. Andere EU-Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeiten genutzt, die ein veränderter EU-Rechtsrahmen zur Behebung der Corona-Schäden einräumt, und ihre Trassengebühren auf null gesenkt, darunter Österreich und Frankreich. Diesen Kurs einzuschlagen, der viel zur Belebung des eigenwirtschaftlichen Schienenverkehrs bringen kann, weigert sich die Bundesregierung aber beharrlich. Dabei wäre er ohne Wettbewerbsverzerrung sofort gangbar.

Stattdessen wartet die Bundesregierung weiter ab nimmt damit weitere Insolvenzen von Wettbewerbsbahnen (siehe die deutsche Tochter von Leo Express) und damit auch den Verlust von Arbeitsplätzen in Kauf. Während sie auf eine Entscheidung der EU-Kommission zur DB-Eigenkapitalerhöhung wartet, kommt sie der Deutschen Bahn weiter entgegen: Nämlich indem sie Regierungsstellen erlaubt, einen Fahrausweis zum Preis von zweien zu kaufen und damit eine nicht notifizierte staatliche Beihilfe – auf Kosten der Steuerzahler – im Kleinen ermöglicht.

Kleine Fußnote am Rande: Eine Sitzplatzreservierung verfällt nach den DB-Beförderungsbedingungen nach 15 Minuten, wenn der Platz nicht eingenommen wird. Der vermeintliche Zweck, nämlich gesicherten Abstand für Bundesbedienstete zu erreichen, wird also weder durch zwei Platzreservierungen noch durch zwei Fahrausweise überhaupt erreicht.

[1] https://mofair.de/wp-content/uploads/2020/11/201106-mofair-NEE-an-BK-Merkel-und-vd-Leyen-DE.pdf

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Dr. Matthias Stoffregen

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