VMK hat Recht: 9-Euro-Ticket darf kein Bumerang werden

„Entlastungspaket“ soll den öffentlichen Verkehr gegenüber dem Autoverkehr stärken, nicht schwächen

Berlin (5. Mai 2022):

mofair kritisiert die Pläne der Bundesregierung, die Regionalisierungsmittel 2022 deutlich weniger anzuheben als seitens der Bundesländer gefordert. Statt der im Haushaltsentwurf vorgesehenen 3,7 Milliarden Euro sind für 2022 mindestens insgesamt 5,2 Milliarden Euro an zusätzlichen Regionalisierungsmitteln notwendig, und zwar für die Fortführung des Corona-Rettungsschirms, die Finanzierung des 9-Euro-Tickets, zum Ausgleich der drastisch gestiegenen Energiekosten und als Einstieg in eine strukturelle Erhöhung über die kommenden Jahre.

mofair-Präsident Tobias Heinemann: „Das 9-Euro-Ticket ist eine große Chance für den öffentlichen Verkehr. Der Bund darf aber diese Maßnahme nicht nur anordnen, sondern muss sie – wie fest zugesagt – auch vollständig finanzieren. Das Ticket soll wie die Mineralölsteuersenkung die Bürgerinnen und Bürgern entlasten. Die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs aber leiden ebenso unter den gestiegenen Energiekosten. Wenn der Bund hier nicht nachbessert, hilft das Entlastungspaket am Ende doch wieder einseitig dem Autoverkehr.“

Am 24. März frühmorgens hatte der Koalitionsausschuss aus SPD, Grünen und FDP angesichts der wegen des Ukraine-Kriegs drastisch gestiegenen Energiepreise ein umfangreiches „Entlastungspaket“ beschlossen. Es sollte Autofahrerinnen und Autofahrern sowie Nutzerinnen und Nutzern des öffentlichen Verkehrs gleichermaßen zugutekommen: Während die Mineralölsteuer für Benzin und Diesel an der Tankstelle für drei Monate auf den EU-rechtlichen Mindestwert gesenkt werden soll, soll der öffentliche Personennahverkehr für ein Vierteljahr zum Preis von 9 Euro pro Monat angeboten werden. Die entstehenden Einnahmenlücken will der Bund aus dem Haushalt decken.

Wie die Verkehrsministerkonferenz heute ebenfalls festgestellt hat, droht dieser Gleichschritt aus dem Takt zu geraten:

Zwar waren die Preise an der Zapfsäule nach Kriegsbeginn am 24. Februar deutlich gestiegen. Bei Diesel ging es um bis zu 66 Cent hinauf, bei Super E10 um 37 Cent. Die Preise sind aber wieder gesunken, das Ziel von Literpreisen unter zwei Euro längst erreicht – ohne Gesetzesänderungen. Dennoch will die Ampelkoalition an der befristeten Absenkung der Mineralölsteuer im Volumen von über drei Milliarden Euro festhalten.

Anders im öffentlichen Verkehr. Dieser stünde nun schlechter da:

  1. Gingen die Koalitionäre zum Zeitpunkt ihres Beschlusses noch von einem Mittelbedarf von bis zu 3 Milliarden Euro für das 9-Euro-Ticket aus, werden schon seit einer Weile nur noch 2,5 Milliarden Euro veranschlagt. Dabei werden jedoch entstehende Mehrkosten, um während der touristisch attraktiven Sommermonate ein qualitativ hochwertiges Angebot für deutlich mehr Fahrgäste anbieten zu können, nicht erstattet. Zusätzliches Personal und Fahrzeuge aber gibt es nicht zum Nulltarif.
  2. Der Bund, vor allem das Bundesfinanzministerium, rechnet die Mittel für den Ausgleich pandemiebedingter Mindereinnahmen (Bundesanteil 1,6 Milliarden Euro für 2022) nun um 25 % auf 1,2 Milliarden Euro herunter. Begründung ist, dass während des Quartals, in dem es das 9-Euro-Ticket geben wird, die Musik bereits bezahlt sei.
    Die Vorstellung, dass sich einzelne Verkehrsunternehmen am Corona-Rettungsschirm gesundstoßen, ist aber schon wegen der individuelle Überkompensationskontrolle unsinnig. Haushaltsmittel, die letztlich doch nicht benötigt werden, werden auch nicht ausgegeben. Die nun vorgesehene pauschale Kürzung ist nur akzeptabel, wenn der Bund angesichts der vielen Unwägbarkeiten eine Nachschusspflicht akzeptiert. In diesem Sinne haben sich auch die Bundesländer geäußert.
  3. Völlig ausgeblendet bleibt, dass die Verkehrsunternehmen ebenfalls unter den drastisch gestiegenen Energiekosten leiden. Die Kosten vor allem für den Bahnstrom – im Schienenpersonenverkehr werden gut 90 % der Verkehrsleistung elektrisch erbracht – sind sogar noch deutlich stärker gestiegen als die Dieselpreise. Eisenbahnverkehrsunternehmen des SPNV und die Aufgabenträger benötigen zum Ausgleich im Jahr 2022 etwa 1,5 Milliarden Euro zusätzlich. Darin enthalten wäre auch der Einstieg in eine strukturelle Anhebung der Regionalisierungsmittel, die in den kommenden Jahren verstetigt werden muss. Diese will der Bund aber im Jahr 2022 nicht zahlen.

Indem der Bund von den für 2022 notwendigen 5,2 Milliarden Euro an zusätzlichen Regionalisierungsmitteln nur 3,7 Milliarden gewähren will, gefährdet er nicht nur die politisch gewollte Stärkung des Schienenverkehrs in den kommenden Jahren.

Er entzieht damit sogar dem bestehenden Angebot teilweise die Existenzgrundlage. Ändert der Bundestag in den anstehenden parlamentarischen Beratungen die Regierungspläne nicht noch ab, können sehr bald Leistungskürzungen drohen.

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