Neuer Bericht zum „Sanierungsfall DB“ bestätigt mofair-Forderungen
Berlin (17. März 2023)
Die Hauptkritikpunkte des Bundesrechnungshofes an der Beteiligungsführung der Deutschen Bahn AG durch das Verkehrsministerium sind über vier Jahre alt : Das BMDV hat keine Vorstellung, was es vom Verkehrsträger Schiene überhaupt erwartet, hat keine Strategie als Eigentümer der DB AG, hält mangels besserer eigener Ideen an der dysfunktionalen Struktur des integrierten Konzerns fest, und ist weder willens noch organisatorisch in der Lage, ausreichenden Einfluss auf das größte deutsche Staatsunternehmen auszuüben. Die Folgen sind steigende Verschuldung und schlechtere Qualität. So die Kritik 2019,[1] so fast wortgleich 2023.[2]
mofair-Präsident Tobias Heinemann: „Die beißende Kritik des Rechnungshofes zeigt, dass es zwar gründlich, aber auch endlich zügig und vor allem transparent vorangehen muss auf dem Weg zu einer gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft. Frisches Geld für die Infrastruktur ist dringend nötig. Es muss über ein Fondsmodell anstelle der heutigen Wirtschaft mit 189 Töpfen ausgereicht werden. Damit einhergehen muss aber eine vollständige finanzielle Entflechtung der Infrastrukturgesellschaft vom Rest des Konzerns. Im Spannungsfeld zwischen Gemeinwohlorientierung der Infrastruktur und Beibehaltung des integrierten DB-Konzerns darf die Qualität nicht wieder unter die Räder geraten.“
Kritische Berichte des Bundesrechnungshofs zur Deutschen Bahn AG gibt es zuhauf. Allein für die Zeit seit 2019 wirft seine Website fast zwanzig Treffer aus, und dabei sind DB-Themen in den alljährlich erscheinenden „Bemerkungen“ noch gar nicht erfasst.
Die Hauptforderungen der Bundescontroller sind 2023 die gleichen wie 2019, und zwar nicht weil in den vergangenen vier Jahren bahnpolitisch nichts geschehen wäre, sondern weil die Politik, vor allem das Verkehrsministerium, den Kern der Probleme konsequent ignoriert hat:
- Der Bund hat es in vier Jahren nicht geschafft, den grundgesetzlichen Gewährleistungsauftrag für die Schieneninfrastruktur der Eisenbahnen des Bundes (Art. 87e Abs. 4) konkretisieren. Es müsse „klar sein, was für eine Bahn und wieviel Bahn der Bund zu welchen Kosten haben“ wolle.
Zu sehr hat sich der Bund darauf verlassen, dass der DB-Konzern es schon machen werde. Aber ein pressewirksames Einbestellen des DB-Vorstands zum Frühstück oder zum Kaffee durch Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer half nicht. Die von der neuen Regierung gelobte Besserung ist indes noch immer nicht greifbar: Das Zielbild für die im Koalitionsvertrag vorgesehene gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft („InfraGO“) sollte im Dezember 2022 vorliegen, steht aber weiter aus.
- Ebenso wenig hat der Bund, eine Eigentümerstrategie erarbeitet, anhand derer das größte bundeseigene Unternehmen am Bundesinteresse (und nicht am Konzerninteresse!) ausgerichtet wird.
Angeblich gibt es seit Monaten einen Entwurf, der jedoch unabgestimmt zwischen den verschiedenen Ressorts hängen geblieben ist. Dass zu einer solchen Strategie kein Engagement in bahnfremden Aktivitäten oder gar der Betrieb von Bahnen in Übersee gehören kann, versteht sich von selbst. Zu sehr hat die management attention unter der Verzettelung in Auslandsaktivitäten gelitten.[3] Aufgabe der Daseinsvorsorge ist es, die Schieneninfrastruktur in Deutschland auf einen Stand zu bringen, der pünktlichen und zuverlässigen Zugverkehr ermöglicht.
- Auch die Struktur des DB-Konzerns hat der Bund nicht weiterentwickelt.
Die Rechnungsprüfer erkennen, dass das Eisenbahnsystem nicht gleichbedeutend mit der DB AG ist. Aber ohne die DB-Infrastruktur, die 90 % des Gleisnetzes in Deutschland darstellt, können auch die Wettbewerber der DB-Transporttöchter keine tadellose Leistung abliefern. Der Rechnungshof regt an, über die Festlegung des Koalitionsvertrags hinauszugehen, indem sich der Bund künftig allein auf die Infrastruktur konzentrieren und die Transportgesellschaften veräußern solle. Für ihn stellt die Integration des Konzerns in seiner heutigen Form einen „Wettbewerbs-Schutzschirm“, für die DB-Transporttöchter dar, vor allem DB Fernverkehr.
mofair plädiert dafür, auf Basis des Koalitionsvertrags, also unter prinzipieller Beibehaltung des Gesamtkonzerns, eine vollkommene finanzielle Entflechtung zwischen Infrastruktur und übrigem Konzern vorzunehmen, also die Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge zu kündigen, das konzernweite Cashpooling zu beenden und getrennte Bilanzen für die neue InfraGO (Monopolbereich) einerseits und die anderen Konzerngesellschaften (Wettbewerbsbereiche) andererseits aufzustellen.
Die Andeutung des Bundesrechnungshofs, dass eine Gemeinwohlorientierung der Infrastruktur einerseits und 100 % Eigentum der DB AG an ihr andererseits nicht möglich seien, dürfte zutreffen. Sie lässt sich ggf. durch eine direkte Minderheitsbeteiligung des Bundes an der InfraGO lösen.
- Schließlich drängt der BRH das BMDV, den großen Worten von der „Chefsache“ Bahninfrastruktur (Volker Wissing) vom Juni 2022 endlich Taten folgen zu lassen und den Einfluss des Bundes auf das Unternehmen inhaltlich und organisatorisch zu stärken.
Es ist tatsächlich wenig überzeugend, dass allein die Einrichtung der Steuerungsgruppe DB im Leitungsbereich des BMDV nach über neun Monaten noch immer nicht abgeschlossen ist. Während die Berater des BMDV gerade mit ihrer Arbeit für die InfraGO beginnen(!), haben die Berater der DB AG ihre Arbeit weit gehend abgeschlossen. In der öffentlichen Debatte hat es die DB geschafft, alles Interesse auf die Sanierung der am stärksten belasteten Korridore zu fokussieren. Kaum einer jemand redet noch über die Konzernstrukturen.
[1] Bericht nach § 99 BHO zur strukturellen Weiterentwicklung und Ausrichtung der Deutschen Bahn AG am Bundesinteresse vom 17. Januar 2019.
[2] Bericht nach § 99 BHO zur Dauerkrise der Deutschen Bahn AG Hinweise für eine strukturelle Weiterentwicklung vom 15. März 2023.
[3] Das räumte DB-Chef Richard Lutz kürzlich in bemerkenswerter Offenheit ein: „[M]it unseren weltweiten Engagements haben wir uns komplett verlaufen.“ (DB-Wettbewerbssymposium am 26. Januar 2023).