Auch die DB-Öffentlichkeitsarbeit muss entflochten werden
Berlin (8. April 2025):
Die gerade in diesen Tagen der Koalitionsverhandlungen besonders aktive Kommunikationsabteilung des DB-Konzerns vermischt seit Jahren Produktwerbung mit der Darstellung dessen, was Infrastruktur leisten kann und wofür Baustellen notwendig sind. Mit dieser Taktik hat sie der Politik die teuren „Generalsanierungen“ und „Zukunftsbahnhöfe“ wie Waschpulver verkauft. Bei einem Misserfolg wenden sich aber nicht nur Fahrgäste ab – was schlimm genug wäre – sondern setzt die DB die politische Unterstützung für den Verkehrsträger Schiene insgesamt aufs Spiel.
mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann:
„Für ihre Verkehre sollen die Deutsche Bahn-Transportunternehmen so heftig werben, wie sie es für richtig halten. Fahrgäste werden auch reißerische Kommunikation zu nehmen wissen. Für die Außendarstellung der Infrastruktur aber muss eine andere Tonalität greifen. Sie ebenso marktschreierisch anzupreisen, sorgt bei Öffentlichkeit und bei politischen Entscheiderinnen und Entscheidern für Verdruss. Allzu oft mussten sie erkennen, dass vollmundige Versprechen nicht eingehalten werden konnten, Ziele meilenweit verfehlt wurden. Eine ‚kommunikative Entflechtung‘ würde die Debatte versachlichen.“
DB-Presseinformation vernebeln mehr, als zu informieren
Wer die Pressemeldungen und anderen Veröffentlichungen des DB-Konzerns verfolgt und daraus beispielsweise echte Informationen zum Zustand der Infrastruktur ziehen möchte, hat es nicht leicht. Meist strotzen sie vor Superlativen und sind in einem Ton verfasst, demzufolge alles entweder schon großartig ist oder in einiger Zeit sein wird. So gut wie nie werden Schwierigkeiten und Herausforderungen offen benannt.[1] Begriffe werden einfach selbst gesetzt („Generalsanierungen“, „Zukunftsbahnhöfe“). So hat die DB AG jederzeit die Deutungshoheit, was genau sie eigentlich beinhalten. Immer werden „modernste“ Systeme erprobt; immer ist man (mindestens) „Weltniveau“. Wo es mal konkret wird, wird man vor lauter Zahlen förmlich erschlagen: X Weichen werden erneuert, Y Kilometer Strecke erneuert, Z Kunden hätten A Minuten Fahrzeitersparnis.
Geübte Leser suchen die eigentlichen Fakten zwischen den Zeilen oder lesen Presseinformationen von hinten nach vorne. Denn am Ende scheint am ehesten die Realität hervor.
Nicht eingehaltene Versprechungen der DB werden oft nicht als solche erkannt
Nun könnte man sagen: Soll die bei der Holding angesiedelte DB-Kommunikation (die InFrago hat keine eigene Öffentlichkeitsarbeit) doch machen, wie sie meint. Am Ende blamiert sich jede/r selbst, so gut er/sie kann. Doch leider liegt der Fall nicht so einfach.
Meist haben Journalistinnen und Journalisten kaum Zeit für eigene kritische Recherche. In vielen Redaktionen wechseln zudem die Zuständigkeiten oft, so dass offensichtliche Widersprüche zwischen vor Monaten oder gar Jahren gemachten Versprechungen der DB und dem in der Jetztzeit zu beobachtenden (Nicht-)Ergebnis häufig gar nicht bemerkt werden. Aber die gut bezahlten und sehr zahlreichen Medienarbeiterinnen und Medienarbeiter des DB-Konzerns haben wieder viele neue Versprechungen zu bieten und vor allem: viele bunte Folien. Der Versprechens-Vergessens-Zyklus beginnt von Neuem.
Diffuses Unbehagen von Politik & Öffentlichkeit gegenüber der DB
Was aber immer mehr wird, ist ein diffuses Unbehagen bei vielen Leserinnen und Lesern sowie – und hier wird es für den gesamten Verkehrsträger Schiene in Deutschland interessant – bei der Politik. Denn Eisenbahn und vor allem Eisenbahninfrastruktur kosten sehr viel Geld. Dass die Infrastruktur über Jahrzehnte finanziell nicht ausreichend ausgestattet und gegenüber der Straße benachteiligt wurde, ist inzwischen allgemein Konsens. Wahr ist allerdings auch, dass die DB-Führung dies sehr lange mitgetragen und nicht laut protestiert hat. Erst seit 2022 änderte sich das, dann allerdings um 180 Grad.
Infrastruktur braucht sachliche Kommunikation
Zusätzliche Milliarden müssen her, um einem weiteren Verfall vorzubeugen. Aber gerade jetzt will – und muss! – die Politik wissen, wie viel „Value for Money“ sie eigentlich bekommt, auf welche Ergebnisse sie nach einer bestimmten Zeit realistisch hoffen darf. Das beste Mittel dafür ist eine Herauslösung der Monopolbereiche – der Infrastruktur – aus dem Konzern.
Weil in fast jeder einzelnen Presseinformation Themen von Monopol- und Wettbewerbsbereich absichtlich wild miteinander vermischt werden, ist hier ebenfalls eine „Entflechtung“ dringend notwendig. In die Kommunikation zur Infrastruktur muss viel mehr Realismus einkehren.
Fatale Folgen, wenn es beim heutigen Durcheinander bleibt
Bliebe es wie es ist und wird in Bezug auf Aus- und Neubau, auf Digitalisierung und auf Sanierung weiter das Blaue vom Himmel versprochen, ergibt sich folgendes Dilemma:
- Entweder glauben die Entscheider in Politik und Ministerien den Versprechungen der DB(-InFrago) – mit der zwangsläufigen Folge, in wenigen Jahren enttäuscht zu werden – …
- …oder sie glauben den Versprechungen nicht, betrachten jede Äußerung der (DB-)InFrago mit einem müden, wissenden Lächeln, und unterstützen auch sinnvolle Initiativen gar nicht oder nur halbherzig.
Beide Varianten sind schlecht, und sie treffen aufgrund des natürlichen Infrastrukturmonopols immer gleich die gesamte Branche, unabhängig ob DB-konzernangehörig oder Wettbewerbsbahn.
Daher muss die Infrastrukturkommunikation künftig von der Schieneninfrastrukturgesellschaft selbst verantwortet werden. Die Entflechtungsregeln des Eisenbahnregulierungsrechts müssen entsprechend erweitert werden.
[1] Vorerst letztes Beispiel ist die „100 Tage-Bilanz nach Inbetriebnahme der Riedbahn“ vom 31. März 2025. Mit keiner Silbe wird erwähnt, dass die Sanierung (mindestens) dreimal so teuer geworden ist wie geplant (1,5 Milliarden statt 500 Millionen Euro), dass dafür weniger erreicht wurde als geplant (Zielzustandsnote 2,1 statt der angestrebten 1,8. Eine hervorragende Einordnung dazu bietet die Übersicht auf „DB-Watch“ der KollegInnen von den GÜTERBAHNEN.