Bundesratsinitiative für ein Schienen-Personen-Fernverkehrsgesetz

Bundesratsinitiative für ein Schienen-Personen-Fernverkehrsgesetz – ein erster Schritt in die richtige Richtung


Gliederung

  1. Management Summary
  2. Ausgangslage
  3. Subventionierung des SPFV durch Regionalisierungsmittel ist abzulehnen
  4. Der Bund als Aufgabenträger im Fernverkehr – der Gesetzentwurf
  5. Ein erster Schritt
  6. Was noch fehlt
  7. Fazit

1. Management Summary

Fünf Bundesländer haben ein Fernverkehrsgesetz in den Bundesrat eingebracht. Es fordert den Bund auf, einen Fernverkehrsplan aufzustellen, in dem Art und Umfang eines Mindestfernverkehrsangebots des Schienenpersonenfernverkehrs definiert werden sollen. Dieser Plan soll regelmäßig fortgeschrieben werden.

Mofair begrüßt diese Initiative. Ihre Umsetzung bringt eine klarere Verantwortungsübernahme für den Fernverkehr durch den Bund, die grundgesetzlich geboten ist. Sie kann ein erster Schritt für die schrittweise Einführung echten Wettbewerbs durch die Vergabe von Verkehrsverträgen im Fernverkehr sein.


2. Ausgangslage

Mit der Bahnreform der Neunzigerjahre wurde den Bundesländern die Verantwortung für den Nahverkehr übertragen. Zur Bestellung von Leistungen erhält er dazu gemäß GG-Art 106a und gemäß Regionalisierungsgesetz entsprechende Finanzzuweisungen („Regionalisierungsmittel“). Aufgrund der politischen Einigung im Laufe des Jahres 2016 werden diese auf 8,2 Mrd. Euro p.a. erhöht und künftig pauschal mit 1,8 % dynamisiert.

GG-Artikel 87e Abs. 4 legt fest: „(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.“ Dieses Bundesgesetz für den Schienenpersonenfernverkehr gibt es bis heute noch nicht.

Bisher hat sich der Bund darauf verlassen, dass sein eigenes Unternehmen, speziell die DB Fernverkehr AG, für ein Verkehrsangebot sorgt, dass „dem Wohl der Allgemeinheit“ Rechnung trägt. Allerdings sind die Eisenbahnen des Bundes im Fernverkehrsbereich auch gehalten, eigenwirtschaftlich zu operieren, also ihre Kosten durch ihre Einnahmen – im Wesentlichen sind dies die Fahrgeldeinnahmen – zu decken. Da diese Eigenwirtschaftlichkeit für eine Reihe bis dahin bedienter Fernverkehrslinien nicht erreicht werden konnte, führte die Deutsche Bahn diese schrittweise zurück bzw. strich sie ganz.

Der politische Druck auf die Deutsche Bahn, das Fernverkehrsnetz wieder auszuweiten, ließ jedoch nicht nach. Und so wurde im Frühjahr 2015 „Deutschland im Takt“ präsentiert, ein langfristiges Programm zur Ausweitung der Verkehrsleistung im Fernverkehr und zur Anbindung von sehr viel mehr kleineren Großstädten, mindestens im Zweistundentakt. Der Endausbauzustand soll nach diesen Planungen im Jahr 2030 erreicht werden.

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Quelle: DB AG


3. Subventionierung des SPFV durch Regionalisierungsmittel ist abzulehnen

Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Linien, die früher bereits Fernverkehrslinien waren, oft der Produktklasse „Interregio“. An den Problemen mit der Eigenwirtschaftlichkeit hat sich seit deren Einstellung (vollständig im Jahr 2006) kaum etwas geändert. Um die Eigenwirtschaftlichkeit zu erreichen, versucht die DB Fernverkehr nunmehr verstärkt, eine finanzielle Kompensation durch die Aufgabenträger der Länder für das Mehrangebot zu erreichen. Den Aufgabenträgern wird angeboten, durch die Möglichkeit der Nutzung der neuen Fernverkehrszüge mit Nahverkehrs- bzw. Verbundfahrausweisen gewissermaßen das Regionalverkehrsangebot auszuweiten.

Das Ansinnen ist nicht neu: Bereits heute gibt es Ausgleichszahlungen der Aufgabenträger an die DB-Fernverkehr AG, wenn diese in ihren Zügen auch Fahrausweise des Bahnregionalverkehrs (sog. C-Preis) oder der jeweiligen Verbundtarife anerkennt, ggf. in Kombination mit einem Aufpreisticket.

Die in mofair organisierten Wettbewerbsbahnen kritisieren schon die aktuelle Praxis scharf. Weiter ausgeweitet werden darf diese keinesfalls, denn:

  1. Sehr wahrscheinlich werden die zusätzlichen Fahrten des Fernverkehrs einen Teil der Leistungen im bestellten SPNV substituieren. Das bedeutet, dass der Anteil der im Wettbewerb vergebenen Leistungen kleiner wird. Das Abellio-Urteil von 2011 hat jedoch eindeutig klargestellt, dass mit öffentlichen Mitteln vergütete Verkehrsleistungen ausnahmslos im Wettbewerb auszuschreiben sind.
  1. Die Tarifanerkennung gegen Ausgleich aus Regionalisierungsmitteln birgt das Risiko der Kannibalisierung, d.h. Fahrgäste werden in großer Zahl aus den bestellten Nahverkehrszügen in die eigenwirtschaftlich zu betreibenden Fernverkehrszüge wechseln.
    1. Die Nahverkehrsunternehmen, die in Nettoverträgen fahren, werden dadurch in ihren Fahrgeldeinnahmen direkt in großem Umfang getroffen. Die Mindereinnahmen konnten sie aber zuvor nicht einkalkulieren.
    2. Bei Bruttoverkehrsverträgen schneiden sich die Aufgabenträger ins eigene Fleisch, denn sie tragen das Einnahmerisiko. In Bruttoanreizverträgen werden darüber hinaus ebenfalls die Eisenbahnverkehrsunternehmen getroffen, z. B, indirekt über das Anreizsystem Fahrgastzahlenentwicklung.
  1. Schließlich bürden sich die Aufgabenträger das Risiko auf, dass die „neuen“ Fernverkehrsverbindungen nicht nachhaltig DB Fernverkehr ist, was die Erbringung der Fernverkehrsleistungen angeht, ja frei, diese auch jederzeit wieder einzustellen. Eine vertragliche Sicherheit wie im SPNV gibt es nicht, auch keine Regelungen hinsichtlich der Qualität etc.

Aus diesen Gründen ergibt sich bei vielen Aufgabenträgern Unbehagen, wie mit der aktuellen Situation umzugehen ist. Das schlägt sich in der Begründung des Gesetzesentwurfs deutlich nieder. Den „Druck“, der auf sie ausgeübt wird, sich mit Regionalisierungsmitteln an der Finanzierung eines ausgeweiteten Fernverkehrs zu beteiligen, wollen sie nicht allein tragen.


4. Der Bund als Aufgabenträger im Fernverkehr – der Gesetzentwurf

Angesichts der sich ohnehin schon aus dem Grundgesetz ergebenden Zuständigkeit für den Fernverkehr, verstärkt durch die Fernverkehrsoffensive der Deutschen Bahn, haben jetzt die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Bremen, Saarland und Thüringen eine Bundesratsinitiative für ein „Gesetz zur Gestaltung des Schienenpersonenfernverkehrs (SPFVG) gestartet (Bundesratsdrucksache 745/16 vom 8. Dezember 2016), die der Bundesrat auf seiner letzten Sitzung im Jahr 2016 an den zuständigen Bundesratsverkehrsausschuss delegiert hat.

Das Gesetz soll dabei schlank gehalten werden:

  • 1 schärft den Gewährleistungsauftrag dahingehend, dass mindestens ein Grundangebot des SPFV durch den Bund garantiert werden soll. Dies soll mit dem von den Ländern verantworteten Angebot des SPNV gekoppelt werden. Landes- und Bundesebene sollen eng zusammenwirken. Dabei wird in der Begründung klargestellt, dass der Gewährleistungsanspruch sich nicht nur auf ein „existenzielles“ Minimum bezieht.
  • 2 beschreibt als Kern des Gesetzentwurfs den Schienenpersonenfernverkehrsplan, der
  • der Zustimmung des Bundesrats bedürfen soll,
  • erstmals drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes erstellt werden und
  • alle drei Jahren fortgeschrieben werden soll.

Er soll darstellen,

  • welche Orte durch Fernverkehrszüge angebunden werden sollen, mindestens jedoch alle Oberzentren, wesentliche touristische Regionen und wichtige Ziele im benachbarten Ausland.
  • Es soll einen Integralen Taktfahrplan geben; Vorgaben zu Qualität und Tarifen soll es geben können.
  • Die bestehende Angebotsplanung der EVU im Fernverkehr soll aufgegriffen und, wo notwendig, entsprechend ergänzt werden.
  • 3 regelt die Mitwirkungspflichten der Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie der SPNV-Aufgabenträger.

5. Ein erster Schritt

mofair begrüßt die Initiative der genannten Bundesländer, denn wir fordern die klare Trennung zwischen dem durch die Bundesländer zu verantwortenden (und vorwiegend mit Regionalisierungsmitteln zu finanzierenden) SPNV einerseits und dem Fernverkehr, der Sache des Bundes bleiben soll, andererseits. Die zwischenzeitliche Verwischung der Grenzen darf keinesfalls weiter voranschreiten.

Sehr positiv am vorliegenden Gesetzentwurf ist, dass er offensichtlich nicht nur dazu dienen soll, finanziellen Druck und Risiken von den Ländern bzw. Aufgabenträgern abzuwenden. Er zielt vielmehr darauf, den Bund stärker in eine Gestaltungsrolle zu bringen, statt nur zu verwalten. Deutlich wird dies im klaren Bezug zum Deutschland-Takt, der als Grundprinzip des künftigen Integralen Taktfahrplans gesehen wird.

Mit dem Gesetzentwurf kann der Bund klar regeln, wie der Fernverkehr zukünftig aussehen soll. Dabei müssen aber die bisherigen Spielregeln im SPNV eingehalten werden. Wer mehr Leistung möchte, der muss dafür bezahlen. Die gelegentliche Kritik aus der Politik an Einzelentscheidungen der Bahnbetreiber wäre dann nur noch gerechtfertigt, wenn diese gegen zuvor im Fernverkehrsplan niedergelegte Leitlinien verstoßen würde.


6. Was noch fehlt

Spätestens aber bei der Frage, ob zusätzliche Leistungen „objektiv“ nicht eigenwirtschaftlich erbracht werden können, kommt die Frage nach Ausschreibungen ins Spiel. Man kann nicht wissen, ob eine bestimmte Strecke, ein bestimmtes Netz nicht auch mit einem geringeren finanziellen Aufwand betrieben werden kann als durch die DB Fernverkehr AG. Dazu muss man anderen potenziellen Betreibern die Chance geben, sich um die Leistungen zu bewerben. Leistungen müssen also durch Verkehrsverträge im Wettbewerb vergeben werden.

Es sollten also künftig Teilnetze im Fernverkehr definiert und in einen Vergabekalender eingebracht werden. Dieser sollte definieren, welche Teilnetze voraussichtlich zu welchem Zeitpunkt im Wettbewerb vergeben werden können. Sinnvoll dürfte eine Durchmischung der einzelnen Vergabenetze sein, d.h. eine Kopplung sehr aufkommensstarker mit eher schwächeren Linien. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass sich an jedem einzelnen Vergabeverfahren genügend Bieter beteiligen. Auf diesen Teilnetzen muss es dann für einen fest definierten Zeitraum von mindestens 10 Jahren Exklusivität geben.

Erst nach der Durchführung der ersten Vergabeverfahren wird man sicher sagen können, welche Mehrkosten entstehen können, Der Bundesrat sagt zu Recht, dass die Mehrkosten zwischen 100 und 500 Mio. Euro p.a. betragen können, vor allem in Abhängigkeit davon, welche Leistung schließlich erbracht werden soll.

Sicher ist, dass ein solcher schrittweiser Übergang des SPFV in den Wettbewerb nicht innerhalb kurzer Zeit erfolgen kann. Lösungen für das große Problem der Fahrzeugfinanzierung müssten gefunden werden. Die Betriebsstabilität des vorhandenen Netzes muss aufrechterhalten und noch weiter verbessert werden. Auch Fragen zum Personalübergang bei Betreiberwechseln müssen geklärt werden.


7. Fazit

Es ist also höchste Zeit, die Weichen für einen zukunftsfähigen und qualitativ hochwertigen SPFV durch ein Schienenpersonenfernverkehrsgesetz richtig zu stellen, ohne dabei den erfolgreichen SPNV zu schwächen. Daher fassen wir den Vorstoß aus der Mitte des Bundesrats als einen ersten wichtigen Schritt hin zu einer klaren und fairen Marktordnung auf. Er schafft die Voraussetzungen zur Konstituierung eines Bundesaufgabenträgers. Weitere Schritte hin zu einem Wettbewerbsregime müssen folgen.

Dass es sich zunächst um einen ersten Schritt handelt, macht diesen nicht weniger wertvoll. Er sollte beherzt gegangen werden.


Hier finden Sie das Schreiben zum Download bereitgestellt.

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Dr. Matthias Stoffregen

Geschäftsführer mofair e. V.

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