Entwurf des Eisenbahnregulierungsgesetzes bleibt weiter hinter den Erwartungen der Wettbewerbsbahnen zurück
Der Wettbewerb auf der Schiene hat sich auch gut 20 Jahre nach der Bahnreform nur sehr langsam weiter entwickelt und liegt nach wie vor hinter den anderen Netzwirtschaften zurückliegt. Dies ist nicht zuletzt auch auf den unzureichenden gesetzlichen Regulierungsrahmen zurückzuführen, was nun durch ein durch die Bundesregierung vorgelegtes Eisenbahnregulierungsgesetz (ERegG) geheilt werden soll. In der aktuell zweiten Fassung des Gesetzentwurfs wurden einige für die Wettbewerbsbahnen wichtige Punkte aus der Ursprungsversion wieder entfernt.
Mofair, das Bündnis für fairen Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr, verweist an dieser Stelle nur auf die wichtigsten durch den Gesetzgeber unbedingt zu ändernden Rahmenbedingungen, die großen Einfluss auf die Realisierung marktwirtschaftlicher Elemente und damit fairer Verhältnisse im Wettbewerb der privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) besitzen.
Ansprüche an Betreiber in Benutzungsbedingungen festlegen
Probleme und Wettbewerbshindernisse starten bereits mit dem Zugang zur Eisenbahninfrastruktur. Nicht geregelt wird, welche Leistung und welche Qualität mit den Zugangs- und Entgeltregelungen korrespondieren. Ganz davon abgesehen, dass die Bundesnetzagentur mit dem vorliegenden Entwurf keine Möglichkeit an die Hand gegeben wird, die Qualität der Eisenbahninfrastruktur zu überprüfen. Daher sollte im ERegG auch klar gestellt werden, dass in den Schienennetz-Benutzungsbedingungen (SNB) zwingend festzulegen ist, welche Ansprüche die Zugangsberechtigten gegen den Betreiber der Schienenwege haben, wenn der gesetzlich bestehende Zugangsanspruch durch eine unzureichend instandgehaltene Eisenbahninfrastruktur behindert wird.
Tarif- und Vertriebssystem behindert den Wettbewerb
Das bestehende Tarif- und Vertriebssystem im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) wirkt sich nachteilig auf den Wettbewerb aus. Im bestehenden System ist derzeit nur die DB AG in der Lage, den gesetzlichen Vorgaben entsprechend einen bundesweiten Ticketvertrieb, auch über den SPNV hinaus, sicherzustellen und einen einheitlichen Tarif vorzugeben. Dass Handlungsbedarf in diesem Bereich besteht zeigt nicht zuletzt das seit Ende 2014 beim Bundeskartellamt anhängige Missbrauchsverfahren zum „Fahrkartenbetrieb“ gegen die DB AG, zu dem Mofair eine eigene Stellungnahme verfasst hat.
Keine Regressmöglichkeit gegenüber dem Betreiber
Im Gesetzentwurf ist keine Regelung vorgesehen, den Betreiber der Schienenwege in finanziellen Regress zu nehmen, wenn es durch ihn zu Leistungsstörungen bei den Wettbewerbsbahnen kommt. Baumaßnahmen führen oftmals zu kostenintensiven Schienenersatzverkehren oder ziehen hohe Vertriebsausfälle nach sich. Ganz abgesehen von den Strafzahlungen an die Aufgabenträger. Dies sogar dann, wenn die Störungen durch den Betreiber der Schienenwege grob fahrlässig verursacht wurden. Für Umfahrungen des jeweils betroffenen Gebietes mussten sogar noch höhere Trassenpreise an die DB Netz gezahlt werden, die somit von den eigenen Störungen profitiert.
Kein Schlichtungsverfahren vorgesehen
Mofair sieht es als dringend erforderlich an, dass im ERegG Regelungen zur Etablierung eines Schlichtungsverfahrens zwischen EVU und dem Betreiber der Schienenwege aufgenommen würden. Die Ausgestaltung dieses Schlichtungsverfahrens sollte darauf ausgerichtet sein, eine schnelle und (sach)gerechte Lösung bei Störungen der Eisenbahninfrastruktur zu erzielen.
Gesamtkosten statt Grenzkosten
Der vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf ist die Umsetzung einer EU-Richtlinie in deutsches Recht. Die europäische Fassung sieht ein System der Regulierung anhand von Grenzkosten mit Aufschlägen vor, was erhebliche Wachstumspotenziale für den Schienenverkehr freisetzen kann. Der Entwurf des ERegG verfolgt demgegenüber bedauerlicherweise weiterhin das Prinzip der Gesamtkosten.
Trassen- und Stationsentgelte müssen an Steigerungsrate der Regionalisierungsmittel gekoppelt werden
Im Rahmen des neuen Regulierungsgesetzes ist die Einführung einer Begrenzung aller Trassen- und Stationsentgelte auf die Steigerungsrate der Regionalisierungsmittel in Höhe von maximal 1,8 Prozent unbedingt notwendig. Nur so ist gewährleistet, dass Aufgabenträger und Betreiber ihre Leistungsverpflichtungen im vereinbarten Rahmen auch zukünftig wahrnehmen können.
Dividende nur durch effizienteres Bewirtschaften der Schienenwege
Wenn der Bundesfinanzminister weiterhin eine Dividendenerwartung an das Staatsunternehmen Deutsche Bahn hat, dann muss gesetzlich geregelt werden, dass diese Dividende im Wesentlichen durch ein effizienteres Bewirtschaften der Schienenwege erzielt wird. Zusätzlich müssen Anreize zur Zielerreichung gesetzt werden, wie es in vielen Unternehmen bereits länger praktiziert wird. Wer seine Ziele nicht erreicht, der bekommt keinen Bonus! Derartige Vorgaben gehören in einen marktwirtschaftlich geprägten Gesetzesentwurf. Die bisherigen Vorschriften bleiben weit hinter den Erwartungen von Mofair zurück.
Evaluierung muss Folgen haben
Das gilt auch für die bisherigen Evaluierungsmöglichkeiten, die nach dem vorliegenden Gesetzentwurf ohne konkrete Folgen bleiben. Während den EVU konsequent Pönalen auferlegt werden, ziehen festgestellte Missstände keine Konsequenzen nach sich. Das wird nur noch übertroffen durch den Ausschluss der sogenannten Billigkeitskontrolle. Den EVUs wird damit die Möglichkeit genommen, gegen ein potenziell schädigendes Verhalten des Netzbetreibers auf dem zivilen Rechtsweg zu klagen.
Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur stärken
Die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur wird durch den Gesetzentwurf gestärkt. Damit einhergehen muss aber auch, dieser Kontroll- und Überwachungsbehörde mit Beschlusskammern auch die erforderlichen personellen und finanziellen Kapazitäten zu gewähren.
Gesetzentwurf muss unbedingt nachgebessert werden
Mofair als Interessenvertretung der privaten Wettbewerbsbahnen steht dem vom Bundeskabinett verabschiedeten ERegG-Entwurf sehr kritisch gegenüber und fordert den Gesetzgeber auf, an den genannten Punkten noch kräftig nachzusteuern. Nur so kann ein wirklich diskriminierungsfreier Zugang für alle Wettbewerber zum öffentlichen Schienennetz realisiert werden.
Verkehrspolitiker müssen ERegG praktikabler gestalten
Jetzt liegt es in der Verantwortung der Verkehrspolitiker von Bund und Ländern bis zur 1. bzw. 2./3. Lesung im Deutschen Bundestag (14. April 2016 bzw. 09.06.2016) sowie der 2. Beratung im Bundesrat (08.07.2016), mit einem modifizierten Eisenbahnegulierungsgesetz eine praktikable Grundlage für mehr Wettbewerb auf der Schiene zu schaffen. Im Sinne der Bürger, der SPNV-Fahrgäste und der Steuerzahler dieses Landes.
Berlin, im Februar 2016