Positionierung von mofair zum 4. Eisenbahnpaket der Kommission

Zusammenfassung:

Die bedeutendsten privaten Verkehrsunternehmen in Deutschland, die für fairen Wettbewerb und Nichtdiskriminierung im Eisenbahnverkehr und im öffentlichen Personenverkehr auf der Straße eintreten, sind seit 2005 in dem Verband mofair e.V. – Mobilität fair – www.mofair.de zusammengeschlossen. Ziel des Verbandes ist neben fairem Wettbewerb und Nichtdiskriminierung, die Beschleunigung der Marktöffnung und Sicherstellung eines qualitativ hochwertigen öffentlichen Verkehrsmarktes, damit sich öffentliche Mobilität zu einem Wachstumsmarkt mit zukunftssicheren Arbeitsplätzen entwickeln kann. Das 4. Eisenbahnpaket muss die richtigen Weichen für die Entwicklung eines wettbewerblich und diskriminierungsfreien Eisenbahnmarktes stellen.

Der Eisenbahnmarkt in Deutschland wird beherrscht vom Incumbent Deutsche Bahn AG, die als integrierter Konzern sowohl die Eisenbahninfrastruktur als auch den weitaus größten Teil des Eisenbahntransportes beherrscht (rd. 75 % des Güterverkehrs, rd. 80 % des gemeinwirtschaftlichen Nahverkehrs und rd. 99 % des Fernverkehrs). Gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen müssen nach deutschem Recht ausgeschrieben werden. Im Eisenbahnfernverkehr gilt open access. In der Vergangenheit hat vor allem die Deutsche Bahn gemeinwirtschaftliche Verkehrsverträge ohne Ausschreibung erhalten.

Gemeinwirtschaftliche Eisenbahnverkehrsleistungen sollten nach Auffassung von mofair zwingend ausgeschrieben werden. Eine Änderung der Verordnung 1370/2007 ist dringend erforderlich. Es muss Gleichheit in Europa hergestellt werden, sonst werden einige Bahnen im Wettbewerb geschützt und andere nicht. Direktvergaben belasten zudem die öffentliche Hand. Im Wettbewerb liegen die Preise um bis zu 30% niedriger, wie sich im Fall der Verkehrsverträge Berlin-Brandenburg gezeigt hat. Die Ausschreibungspflicht sollte ab In-Kraft-treten des neuen Gesetzes gelten. Jeweils auslaufende Verträge würden dann neu auszuschreiben sein. Das europäische Vergaberecht ist ausreichend flexibel, um im Einzelfall auch ein Verhandlungsverfahren mit nur einem Bieter oder eine Direktvergabe durchführen zu können.

Ein Gebrauchtfahrzeugmarkt entwickelt sich am ehesten, wenn der Incumbent seine Fahrzeuge an den Gewinner einer Ausschreibung gegen Erstattung des Zeitwertes abgeben muss. Darüber hinaus könnten die zuständigen Behörden eigene Fahrzeuge bereitstellen, eine Wiedereinsatzgarantie geben, öffentliche Kreditkonditionen ermöglichen oder in der Ausschreibung Neufahrzeuge verlangen. Eine Verschrottung oder ein Export von Gebrauchtfahrzeugen mit Reimportverbot durch den Incumbent muss verboten sein.

Der Infrastrukturbetreiber muss materiell und finanziell vollkommen unabhängig sein von den Transportunternehmen. Das kann erreicht werden durch eine gesellschaftsrechtliche Trennung, aber auch durch vollständige Kappung insbesondere der finanziellen Beziehungen zwischen dem Infrastrukturbetreiber, den Transportunternehmen und der Holding eines integrierten Eisenbahnunternehmens.

Ist die finanzielle Unabhängigkeit nicht gewährleistet, könnte der Incumbent staatliche Mittel zur Finanzierung der Infrastruktur aus dem Infrastrukturunternehmen entnehmen und für seine Expansion durch Kauf von anderen Unternehmen oder Unterbreitung besonders günstiger Angebote nutzen. Je geringer die Unabhängigkeit des Netzes von den Transporttöchtern eines integrierten Incumbent, desto stärker muss die Regulierung ausfallen und umgekehrt. Je stärker die Verflechtung zwischen Netz und Transport, desto mehr besteht nämlich die Gefahr, dass Informationen ausgetauscht und Verhalten von Netz- und Transportunternehmen über die Holding abgestimmt werden.

Um eine Diskriminierung beim Bahnstrom auszuschließen, könnten die Bahnstromfernleitungen nach dem Energiewirtschaftsrecht reguliert und dritten Energieversorgern der Zugang zum Bahnstromfernleitungsnetz ermöglicht werden. Es muss allerdings auch sicherstellt werden, dass die Bahnstrom-Vollversorgung als diskriminierungsfreie Nebenleistung des Eisenbahn-Infrastrukturunternehmens angeboten werden muss, wenn ein Transportunternehmen das möchte.

Ausschreibung oder Direktvergabe

Die Verordnung 1370/2009 erlaubt in Art. 5 Abs. 6 die Direktvergabe von Eisenbahnverkehrsleistungen, wenn mitgliedstaatliche Regelungen dem nicht entgegen stehen.

In der Praxis erweist sich die Direktvergabe als höchst ineffizient. Die Preise, die in Deutschland im Rahmen von direkt vergebenen Verkehrsverträgen von den Ländern als Auftraggebern gezahlt wurden, liegen deutlich um bis zu 30% über den Preisen, die bei Ausschreibungen erzielt wurden. Bei der Direktvergabe des Verkehrsvertrages Berlin/Brandenburg 2003 betrug der öffentliche Zuschuss pro gefahrenem Zugkm im Durchschnitt aller Linien 9,08 €. Im Ausschreibungsverfahren von 2010 für die gleichen Linien verlangte DB Regio nur 6,42 €. Das sind 29,7% weniger. Trotz der niedrigeren Preise gewinnt die Deutschen Bahn regelmäßig Ausschreibungen. Das zeigt die grundsätzliche Wettbewerbsfähigkeit des Incumbent Deutsche Bahn.

Direktverträge behindern die Wettbewerber und belasten die öffentlichen Kassen. Bei einem Verbot von Direktverträgen werden auch sogenannte Koppelgeschäfte unmöglich. Die Deutsche Bahn als Betreiber der Schieneninfrastruktur verspricht Investitionen in die Schieneninfrastruktur oder das Fahrzeugmaterial und erhält im Gegenzug einen gemeinwirtschaftlichen Verkehrsvertrag zu überhöhten Preisen ohne Ausschreibung.

Von interessierter Seite wird immer wieder eine Direktvergabe für erforderlich gehalten, um vermeintlichen Problemen begegnen zu können. Indes die Argumente tragen nicht. Selbst Gewerkschaftsvertreter sprechen sich für Wettbewerb und Ausschreibungen aus. Das europäische Vergaberecht ist ausreichend flexibel, um auch ein Verhandlungsverfahren mit nur einem Bieter oder eine Direktvergabe durchführen zu können, wenn es im Einzelfall erforderlich sein sollte.

Übergang von Verkehrsverträgen in den Wettbewerb

Ein kontinuierlicher Übergang in den Wettbewerb könnte in ähnlicher Weise gestaltet werden, wie er in der Verordnung 1370/2007 Art. 8 im Grundsatz bereits geregelt ist. Allerdings sollte die Pflicht zur Ausschreibung von sofort an gelten und nicht erst nach einer Übergangszeit. Laufen Verkehrsverträge aus, werden sie dann nach und nach ausgeschrieben. Die Vorgabe von bestimmten Ausschreibungsquoten ist nicht sinnvoll, weil nicht bekannt ist, wann Verträge auslaufen. Die geltenden Verträge bleiben gültig. Bestehende Direktverträge sollten in ihrer Gültigkeit allerdings auf 10 Jahre Laufzeit beschränkt werden. Im Wettbewerb vergebene Verträge sollten bis zu einer Laufzeit von längstens 15 Jahren gültig sein.

Verfügbarkeit von Fahrzeugen

Im Rahmen von Ausschreibungen stellt sich die Frage, wie Newcomer zu den notwendigen Fahrzeugen kommen, damit sie ein Angebot abgeben können. Im Rahmen von Ausschreibungen wurde in Deutschland von den Anbietern in der Regel die Bereitstellung neuer Fahrzeuge gefordert. Die Fahrzeuge wurden von den Wettbewerbsunternehmen bestellt und bezahlt. In der Regel bedienten sich die Verkehrsunternehmen spezifischer Unternehmen, bei denen sie die Fahrzeuge leasten. Die Refinanzierung erfolgte durch die Preise, die die Aufgabenträger an die Verkehrsunternehmen zahlten.

Zu Beginn des Wettbewerbs auf dem Eisenbahnmarkt in Deutschland in den 90er Jahren hat die Deutsche Bahn alles daran gesetzt, den Wettbewerbern den Zugang zu Gebrauchtfahrzeugen zu erschweren, indem sie die Fahrzeuge lieber verschrottete oder außer Landes verkaufte, mit der Verpflichtung diese nicht wieder nach Deutschland zu exportieren. Im Laufe der Zeit hat sich dennoch ein Gebrauchtfahrzeugmarkt unterschiedlicher Qualität vor allem bei den Leasingunternehmen entwickelt. Spätestens in der 2. Ausschreibungsperiode wird das Angebot an Gebrauchtfahrzeugen größer und es kann ein mehr oder weniger umfangreicher Gebrauchtfahrzeugmarkt entstehen.

Um das Problem des unzureichenden Gebrauchtfahrzeugmarktes zu entschärfen, werden verschiedene Möglichkeiten angewandt, den Zugang von Newcomern zum Fahrzeugmarkt zu erleichtern. Einige Aufgabenträger beschaffen die Fahrzeuge auf eigene Rechnung und vermieten sie an die Verkehrsunternehmen, die die Ausschreibung gewonnen haben. Sie halten einen Fahrzeugpool vor. Andere Aufgabenträger geben eine Wiedereinsatzgarantie für die Fahrzeuge nach Ablauf des Verkehrsvertrages. Noch andere versuchen die Wettbewerbsgleichheit für die Newcomer herzustellen, indem sie die Kreditkonditionen der öffentlichen Hand auch für private Verkehrsunternehmen garantieren.

Nicht zuletzt bestünde auch die Möglichkeit, den Incumbent zu verpflichten, seine Fahrzeuge gegen Wertausgleich dem Gewinner einer Ausschreibung zu überlassen. Das ist auch deswegen keine Zumutung für den Incumbent, da seine Fahrzeuge in der Regel durch die öffentliche Hand teilweise oder sogar ganz finanziert und ihm als Eigentum ohne Gegenleistung überlassen wurden. Es wäre im Grunde eine vergleichbare Regelung für den Rolling Stock wie bei der Übernahme des Personals nach Art. 4 Abs. 5 der Verordnung 1370/2007.

Im 4. Eisenbahnpaket sollten alle diese Möglichkeiten zur Sicherstellung der Fahrzeugverfügbarkeit vorgesehen werden.

Unabhängigkeit des Schienennetzes…

Zur Eisenbahninfrastruktur gehört nicht nur die physische Infrastruktur, wie das Schienennetz, die Bahnhöfe oder die Bahnstromleitungen. Unabhängig und damit als Infrastruktur muss auch der Vertrieb, z.B. das Buchungssystem oder die Internetplattform, organisiert sein.

Angesicht der hohen Bedeutung und zentralen Stellung eines Netzbetreibers für die Entwicklung eines transparenten und effizienten Eisenbahnmarktes muss ihm die Verantwortung zustehen für die die Trassenzuweisung, die Entwicklung des Preissystems, die Vermarktung der Trassen (Vertrieb), die Steuerung des Verkehrs auf dem Netz und die Instandhaltung und Erneuerung sowie die Planung und den Ausbau des Schienennetzes.

Um diese Aufgaben transparent und fair erfüllen zu können, könnte der Infrastrukturbetreiber vollkommen unabhängig sein von einer Eisenbahnholding und von den Transportunternehmen, die auf der Schiene Verkehrsleistungen erbringen. Die Unabhängigkeit kann auf verschiedene Weise sichergestellt werden.

…durch Trennung von Netz und Transport

So könnte die Infrastruktur in einer unabhängigen Gesellschaft organsiert werden. Dagegen wird vor allem eingewandt, dass es für einen effizienten Eisenbahnbetrieb unerlässlich sei, dass die Schieneninfrastruktur und die Transportgesellschaften in einem integrierten Konzern vereint seien. Würde das Argument zutreffen, könnten die Incumbent nur auf ihrem Heimatmarkt tätig sein. Denn nur dort sind im Falle eines integrierten Konzerns Schiene und Transportunternehmen in einer Hand. Tatsächlich ist z.B. die Deutsche Bahn in vielen Mitgliedstaaten der EU und darüber hinaus weltweit in mehr als 130 Ländern nach eigenen Worten erfolgreich tätig, ohne dass sie im Fall von Eisenbahntransporten Zugriff auf das dortige Schienennetz hätte.

…durch Kappung der Finanzbeziehungen zum integrierten Konzern

Grundsätzlich wäre es allerdings auch möglich Infrastruktur und Transportunternehmen in einem integrierten Konzern zusammen zu fassen, wenn die finanzielle Unabhängigkeit der Infrastruktur gegeben ist. Es reicht aber nicht aus, nur das Rechnungswesen zu trennen; staatliche Subventionen für die Infrastruktur und gleichzeitig Finanzabflüsse von der Infrastruktur in die Transportunternehmen oder die Holding aber zuzulassen, wie es auch nach dem 3. Eisenbahnpaket weiterhin möglich ist. Erforderlich ist, dass jeglicher Einfluss der Transportunternehmen und des Konzerns auf das Infrastrukturunternehmen unterbunden wird und dass die Finanzströme zwischen den Gesellschaften offen gelegt werden. Auf keinen Fall aber darf es die Möglichkeit geben, Finanzmittel aus der staatlich finanzierten Infrastruktur in die Holding oder über die Holding in die Transportunternehmen zu transferieren.

Zwar müssen nach § 6 Abs. 1 der Richtlinie zur Schaffung eines einheitlichen Eisenbahnraumes in der Fassung des Beschlusses des EP vom 3.7.2012 getrennte Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen für den Transport- und Infrastrukturbereich eines integrierten Eisenbahnkonzerns erstellt werden und öffentliche Gelder, die einem dieser beiden Tätigkeitsbereiche zufließen, dürfen nicht auf den anderen übertragen werden.

Das bedeutet leider nur, dass die öffentlichen Gelder im ersten Schritt in die dafür jeweils vorgesehenen Bereiche fließen und dort als Einnahmen verbucht werden müssen. Was dann mit diesen Geldern geschieht, liegt im Ermessen des Eisenbahnkonzerns. Insbesondere können die öffentlichen Gelder dazu beitragen, Gewinne im Eisenbahninfrastrukturbereich zu generieren, die dann in die Holding fließen und dort dem Management zur freien Verfügung stehen.

Das Beispiel Deutsche Bahn als integrierter Eisenbahnkonzern

Finanztransfer aus der Infrastruktur in die Holding Deutsche Bahn geschieht in Deutschland in großem Stil. Unternehmensplanungen der Deutschen Bahn zu Folge sollen die Gewinne von DB Netz in den nächsten Jahren auf weit mehr als eine Milliarde EURO jährlich ansteigen. Diese Mittel stammen aus Haushaltmitteln des Bundes: Einerseits aus der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, die die Deutsche Bahn mit dem Bundesverkehrsministerium abgeschlossen hat, und andererseits aus den Mitteln des Bundes, die er den Ländern für gemeinwirtschaftliche Verkehrsverträge mit der Deutschen Bahn zahlt.

Der Bund gewährt im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung der Deutschen Bahn für den Infrastrukturausbau jährlich 2,5 Mrd. €. Würde der Bund keine Mittel bereitstellen, würden keine Gewinne bei DB Netz anfallen, die in die Holding transferiert werden könnten.

Im Rahmen gemeinwirtschaftlicher Verkehrsverträge zahlen die deutschen Länder zur Sicherung des Eisenbahnpersonennahverkehrs aus öffentlichen Mitteln insgesamt jährlich rd. 7,5 Mrd. €. Davon sind etwa knapp die Hälfte, nämlich 3,5 Mrd. €, Gebühren für die Trassennutzung. Auch diese Mittel fließen, soweit sie nicht direkt für den Unterhalt und Betrieb der Eisenbahninfrastruktur aufgewendet werden, über die Gewinne von DB Netz in die Holding Deutsche Bahn, obwohl nach Art. 6 Abs. 3 der oben genannten Eisenbahnrichtlinie öffentliche Zuwendungen für gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen nicht auf Tätigkeitsbereiche übertragen werden dürfen, die andere Verkehrsleistungen oder sonstige Geschäfte betreffen. Auf den Weg der Übertragung, direkt oder indirekt, kommt es nicht an: beides ist zu untersagen.

Auswirkungen von Finanztransfers aus Infrastruktur in die Deutsche Bahn

Die Deutsche Bahn verwendet die öffentlichen Mittel, die sie aus der Infrastruktur zieht, dazu, ihren Marktanteil zu Lasten anderer privater oder staatlicher Eisenbahnunternehmen zu vergrößern. Die Deutsche Bahn kann wegen der fehlenden Unabhängigkeit der Infrastruktur, Mittel aus diesem Unternehmensbereich herausziehen, den Wettbewerb massiv verringern und sich im Markt erhebliche Startvorteile gegenüber anderen Mitbewerbern verschaffen.

Aufgrund der indirekten Staatsfinanzierung ist sie problemlos in der Lage, Unternehmen wie Arriva, die Grand Central Railway oder andere zu kaufen. Dazu sind im Wettbewerb agierende staatliche Eisenbahnunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten kaum in der Lage, weil deren staatliche Eigentümer angesichts der schwierigen Situation ihrer öffentlichen Finanzen ihre staatlichen Eisenbahnen nicht in der Form alimentieren können, wie es Deutschland kann und tut.

Die öffentliche Mittel erlauben es der Deutschen Bahn auch, mit besonders günstigen Angeboten beim gemeinwirtschaftlichen Eisenbahnpersonennahverkehr zum Nachteil der privaten Unternehmen in den Wettbewerb zu gehen.

Sie unterbreitet sogar Angebote, in den sie offen eine Querfinanzierung zwischen den Tochterunternehmen der Deutschen Bahn DB Netz und den Verkehrsunternehmen von DB Regio vorgesehen hat. Wegen dieser Querfinanzierung sind die Angebote von DB Regio natürlich besonders günstig und werden von den Aufgabenträgern als besonders vorteilhaft wahrgenommen, so dass diese glauben, entgegen dem deutschen Vergaberecht sogar eine Direktvergabe vornehmen zu dürfen.

Bei der Direktvergabe des Elektronetzes Nord in Sachsen-Anhalt hat DB Regio genau das getan. DB Regio hat für den Vertragszeitraum von 15 Jahren das Risiko von Trassenpreissteigerungen seitens DB Netz übernommen. Diese Zusage war DB Regio nur möglich, weil es für den Konzern Deutsche Bahn unerheblich ist, ob die Einnahmen beim Netz oder beim Transportunternehmen anfallen. Nicht zuletzt damit begründete die Auftraggeberin, die Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH, die Direktvergabe an DB Regio.

„Die von der DB Regio AG angebotene Übernahme des Risikos der Steigerung von Infrastrukturkosten ist im Rahmen einer wettbewerblichen Vergabe rechtlich nicht durchsetzbar, bedeutet aber für das Land Sachsen-Anhalt eine deutliche Entlastung von risikoreichen Haushaltspositionen.“

Quelle: Schriftsatz der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH vom 10.1.2012, Seite 13, im Vergabeüberprüfungsverfahren – 1 VK LSA 38/11 –

In der Vergangenheit haben sich seit Jahren Trassenpreissteigerungen von gut 2 % pro Jahr ergeben. Geht man davon aus, dass diese Größenordnung auch in Zukunft realistisch ist, bedeutet dies, dass DB Regio das Land Sachsen-Anhalt von Trassenkostensteigerungen in Höhe von mehr als 70 Mio. € entlastet.

Dazu ist kein Wettbewerber der Deutschen Bahn in der Lage. Das Beispiel Elektronetz Nord zeigt deutlich, dass die vorhandene Organisation der Deutschen Bahn bereits heute nicht einmal ansatzweise den derzeitigen europäischen Vorschriften entspricht und den Wettbewerb im Zusammenwirken z. B. mit dem Land Sachsen-Anhalt massiv behindert.

Diskriminierung der Wettbewerber durch den integrierten Konzern

Die Tatsache, dass der Incumbent über Netz und Transportgesellschaften verfügt, bietet ihm neben den bereits beschriebenen finanziellen Vorteilen erhebliche Möglichkeiten, seine Wettbewerber auf der Schiene zu benachteiligen. Dabei gilt der Grundsatz: Je effizienter und stärker die Unabhängigkeit des Netzes von den Transporttöchtern eines integrierten Incumbent, desto schwächer darf die Regulierung ausfallen und umgekehrt. Leider neigen die Mitgliedstaaten als Eigentümer ihrer Staatsbahnen dazu, die Regulierung schwach auszugestalten, aber nach außen den Eindruck zu erwecken, der Incumbent sei an die Kette der Regulierung und Nichtdiskriminierung gelegt worden.

In Deutschland hat die Regulierungsbehörde seit Beginn der Bahnreform 1994 eine Vielzahl von Verfahren vor den Gerichten gegen die DB Netz AG durchführen müssen, um den Infrastrukturbetreiber dazu zu bringen, dritte Transportunternehmen nicht zu diskriminieren zugunsten der Transporttöchter der eigenen Mutter. Dabei ging es um die Nutzungsbedingungen für das Schienennetz, Bahnhöfe und Serviceeinrichtungen, die Entgelte für Bahnhöfe, Trassen und Bahnstrom, den Zugang zur Infrastruktur und zu Serviceeinrichtungen, z.B. den Betriebszentralen. Viele Ergebnisse der Gerichtsverfahren fanden dann in den zahlreichen sogenannten Eisenbahnrechtlichen Leitentscheidungen der Regulierungsbehörde ihren Niederschlag.

Versorgung mit Bahnstrom

Ist der Incumbent auch der Energieversorger der Eisenbahnunternehmen, kann er dies zur Diskriminierung nutzen. In Deutschland zahlen die nicht DB-eigenen Eisenbahntransportunternehmen bis zu 20 % mehr für den Bahnstrom als die Transporttöchter der DB.

Die DB gewährt ihren Töchtern hohe Mengenrabatte, von denen die privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht profitieren können, weil ihre Bezugsmengen nicht so groß sind. Darüber hinaus vergütet die Infrastrukturtochter DB Energie den privaten Verkehrsunternehmen den von ihnen erzeugten Bremsstrom deutlich geringer als sie für den von ihr bezogenen Bahnstrom berechnet. Davon profitieren die Transportunternehmen der DB deshalb, weil sie zu einem immer noch hohen Anteil mit nicht Bremsstrom rückspeisefähigen Triebfahrzeugen fahren.

Um eine Diskriminierung beim Bahnstrom auszuschließen, müssen die Bahnstromfernleitungen nach dem Energiewirtschaftsrecht reguliert und dritten Energieversorgern der Zugang zu Bahnstromfernleitungen ermöglicht werden. Es muss allerdings auch sicherstellt sein, dass die Bahnstrom-Vollversorgung vom Infrastrukturunternehmen des Incumbent als diskriminierungsfreie Nebenleistung angeboten werden muss. Die Transportunternehmen sollten bezüglich der Versorgungsquelle ein Wahlrecht haben.

Berlin, 03.09.2012

Positionierung von mofair zum 4. Eisenbahnpaket der Kommission als PDF zum Download (PDF, 98 KB)

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Dr. Matthias Stoffregen

Geschäftsführer mofair e. V.

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