S-Bahn Berlin: Offener Brief an Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum

Der mofair e. V. wendet sich in einem Offenen Brief an den Berliner Finanzsenator Dr. Ulrich Nußbaum, um für eine Ausschreibung des Betriebs der Berliner S-Bahn einzutreten.

Sehr geehrter Herr Senator Dr. Nußbaum,

einer Meldung des Tagesspiegels vom 20.3.2012 haben wir entnommen, dass Ihr Haus der Veräußerung von landeseigenen Grundstücken unterhalb des Verkehrswertes nicht zustimmen kann. Auch mietenpolitische Zielsetzungen könnten das nicht rechtfertigen.

Wir sind mit Ihnen der Auffassung, dass ein Verkauf von Grundstücken unterhalb des Verkehrswertes gegen das Haushaltsrecht verstößt. Darüber hinaus würden sich aus unserer Sicht auch gewichtige kartell- und beihilferechtliche Fragen stellen.

Wir sind allerdings der Auffassung, dass das Land Berlin nicht nur bei der Veräußerung von Grundstücken auf die Einhaltung des Haushalts- und Kartellrechts achten, sondern auch bei der Beschaffung von Verkehrsleistungen den Vorschriften des GWB Rechnung tragen muss.

Es ist immer noch nicht klar, wie der S-Bahn-Verkehr ab 2017 erbracht werden soll. Wichtige politische Gruppen fordern, dass der S-Bahn-Verkehrsvertrag erneut direkt und ohne Ausschreibung mit der S-Bahn Berlin GmbH abgeschlossen wird. Das Urteil des BGH vom 8.2.2011 und das der Direktvergabe deswegen entgegenstehende Vergaberecht scheinen ohne Belang.

Ebenso wie ein Verkauf von Grundstücken unter dem Verkehrswert dürfte auch ein Verzicht auf eine Ausschreibung der S-Bahn-Verkehrsleistungen den Landeshaushalt schwer belasten und vergabe- und beihilferechtliche Auseinandersetzungen wie in Sachsen-Anhalt beispielsweise beim Elektronetz Nord zur Folge haben.

Nach dem 2003 direkt und ohne Ausschreibung vergebenen Vertrag erhält die S-Bahn Berlin GmbH rd. 2 Mrd. € zu viel. Das ist eine Überkompensation, die dem europäischen Beihilferecht widerspricht und die von der S-Bahn Berlin GmbH an die Länder Berlin und Brandenburg zurückgezahlt werden muss.

Effektiv bekommt die S-Bahn Berlin GmbH aus Ausgleichsleistungen für einen Zugkm rd. 18,00 €, wie sich aus den offen gelegten Verträgen ergibt. Davon sind rd. 9,00 € Zuschüsse aus dem Landeshaushalt. Entsprechende Leistungen werden am Markt für deutlich weniger Kosten und Zuschüsse erbracht. Die S-Bahn Berlin GmbH selbst hat in dem sogenannten Mehrleistungsvertrag für die Anbindung des Flughafens Berlin-Brandenburg mit Kosten von gut 9 € pro Zugkm gerechnet. Für diese Verkehrsleistungen bekommt sie keine Zuschüsse des Landes.

Sicherlich werden sich nicht alle S-Bahn-Linien in Berlin mit Kosten von 9,00 € pro Zugkm bestreiten lassen. Dass der S-Bahn-Verkehr im Durchschnitt aber doppelt so hohe Kosten verursachen soll, wie die S-Bahn Berlin GmbH im Falle des Mehrleistungsvertrages selbst kalkuliert, erscheint nicht nachvollziehbar.

Sehr vorsichtig gerechnet dürfte der Haushalt des Landes Berlin durch eine Ausschreibung der S-Bahn-Verkehrsleistungen in einer Größenordnung von 130 Mio. bis 150 Mio. € jährlich entlastet werden; Geld, das das Land Berlin dringend benötigt.

Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich ebenso wie bei der Vergabe von Grundstücken auch öffentlich für eine Ausschreibung der S-Bahn-Verkehrsleistungen einsetzen könnten.

Gerne stehen wir Ihnen für Gespräche über die Möglichkeiten, wie das Verfahren der Ausschreibung erfolgreich gestaltet werden könnte, zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Meyer
Präsident mofair e.V

Der Offene Brief als PDF zum Download (PDF, 24 KB)

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Dr. Matthias Stoffregen

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