Soeben hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt den ÖPNV-Bericht 2010 des Landes Berlin veröffentlicht und zum Download bereitgestellt unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/politik_planung/oepnv/qualitaet/ .
In diesem Bericht werden viele Zahlen zum Berliner Nahverkehr 2010 präsentiert, die ein vermeintlich objektives Bild zeichnen sollen. So werden bisher im Einzelnen nicht zugängliche Daten zu den Verkehrsverträgen (Leistungen in Zugkilometer, Zahlungen der öffentlichen Hand) aufgelistet. Dazu ist der Senat erstmals durch EG-Recht verpflichtet. Der Versuch, hier Transparenz herzustellen, ist deshalb auch grundsätzlich zu begrüßen.
Tatsächlich werden aber in grob verfälschender Weise Äpfel mit Birnen verglichen und so die tatsächlich gegebene Überkompensation an die DB AG erneut verschleiert. Der Senat zahlt viel zu viel für die Verkehrsleistungen, die die S-Bahn Berlin GmbH und die DB Regio AG erbringen. Daran ändern auch die Kürzungen des Senats nicht, die er in den letzten Jahren wegen der desolaten Leistungen der S-Bahn vorgenommen hat.
Wegen dieser Überkompensation durch den Verkehrsvertrag der DB Regio AG läuft nach wie vor ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Union gegen die Länder Brandenburg und Berlin wegen unerlaubter Beihilfe. Auch der S-Bahn-Vertrag der Stadt Berlin steht bei der Kommission auf dem Prüfstand.
Im Einzelnen: Der Bericht nennt für vier im Schienenpersonennahverkehr im Land Berlin tätigen Unternehmen die Soll-Leistung an Zugkilometern für 2010 sowie die aus dieser Soll-Leistung laut den jeweiligen Verkehrsverträgen resultierenden Ausgleichsansprüche, also die Zuschüsse. Wenn man die beiden Zahlen miteinander in Bezug setzt, ergeben sich scheinbar ähnliche Werte für den Zuschussbedarf der SPNV-Unternehmen DB Regio, S-Bahn Berlin GmbH, Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft (ODEG) und Niederbarnimer Eisenbahn (NEB), die zwischen 6,90 € und 8,48 € Zuschussbedarf je Zugkilometer liegen.
Tatsächlich ist dieses Bild völlig schief: Während DB Regio und S-Bahn sogenannte „Nettoverträge“ haben, bei denen diese Unternehmen die Ticketeinnahmen behalten dürfen, haben ODEG und NEB „Bruttoverträge“, bei denen die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf an den Verkehrsverbund Berlin/Brandenburg (VBB) abgeführt werden müssen. S-Bahn und DB Regio haben zwischen 6 und 8 Euro Einnahmen aus Fahrgasterlösen je Zugkilometer, sodass sie fast das Doppelte je Zugkilometer erhalten im Vergleich zur ODEG und NEB.
Wie aus dem Qualitätsbericht des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) hervorgeht, erreichen die privaten Eisenbahnunternehmen ODEG und die NEB trotz der offenkundigen finanziellen Benachteiligung im Vergleich zu den öffentlichen Verkehrsunternehmen S-Bahn und DB Regio in der Kundenzufriedenheit deutlich bessere Werte.
Die politische Absicht des Senats, die gute Leistung der privaten Verkehrsunternehmen, besonders im Verhältnis zu ihrer weitaus geringeren finanziellen Alimentierung, und die Erfolge des Wettbewerbs möglichst nicht sichtbar werden zu lassen, wird so offenkundig.
Die Senatsverwaltung täte gut daran, die Zahlen genauer zu analysieren und aufzubereiten und die unterschiedlichen Vertragsstrukturen bei den außerordentlich profitablen Nettoverträgen der DB und den Ausschreibungsverträgen der privaten Verkehrsunternehmen nicht unter den Tisch fallen zu lassen.
Mit transparent aufbereiteten Zahlen würde deutlich werden, dass Berlin durch die Direktverträge ohne Ausschreibung mit S-Bahn und DB Regio bei weitem zu viel Geld ausgibt, noch dazu bei deutlich schlechterer Qualität.
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